Ein Podcast über Bücher und die Welten, die sie uns eröffnen. Alle zwei Wochen tauchen wir im Duo in eine Neuerscheinung ein, spüren Themen, Figuren und Sprache nach und folgen den Gedanken, welche die Lektüre auslöst. Dazu sprechen wir mit der Autorin oder dem Autor und holen zusätzliche Stimmen zu den Fragen ein, die uns beim Lesen umgetrieben haben. Lesen heisst entdecken. Mit den Hosts Nicola Steiner/Franziska Hirsbrunner und Felix Münger/Simon Leuthold. Mehr Infos: www.srf.ch/literatur Kontakt: [email protected]
«Der Geschichtenabnehmer» von Vincenzo Todisco: Die letzten Worte
Ein italienisches Bergdorf, in dem es jedem Sterbenden zusteht, noch einmal von seinem Leben zu erzählen. Davon handelt der neue Roman des Schweizer Schriftstellers Vincenzo Todisco. Es ist ein leises, atmosphärisches und virtuos geschriebenes Buch, findet Katja Schönherr.
Wenn Sie wählen könnten: Was würden Sie sich für Ihre allerletzten Stunden wünschen? Einen Menschen an Ihrer Seite? Einen, der bei Ihnen sitzt? Ihnen zuhört? Ihnen abnimmt, was noch auf der Seele liegt?
Das jedenfalls ist das Abschiedsritual, das in Gruma jedem Sterbenden zusteht. Gruma ist das fiktive italienische Bergdorf, in dem Vincenzo Todisco seinen neuen Roman «Der Geschichtenabnehmer» spielen lässt. Liegt in Gruma jemand im Sterben, so ist es seit Jahrhunderten Tradition, dass ein sogenannter Geschichtenabnehmer herbeieilt. Am Sterbebett steht ein Stuhl für ihn bereit. Auf diesen wird er sich setzen, nichts sagen, einfach zuhören.
Der Geschichtenabnehmer in Todiscos Roman ist der Junge Walter. Im Alter von nur sieben Jahren wurde ihm die Aufgabe des Geschichtenabnehmens übertragen – und er nimmt sie ernst, sehr ernst.
Mit der Zeit sammeln sich die verstummten Stimmen und deren Geschichten in seinem Kopf, und für Walter wird das Dasein als «Geschichtenabnehmer» zunehmend zu Belastung. Wird er diese Aufgabe ein Leben lang erfüllen können? Das ist eine der Fragen, um die sich der Roman dreht.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Vincenzo Todisco: «Der Geschichtenabnehmer». 252 Seiten. Atlantis, 2024.
Im Podcast zu hören sind:
* Vincenzo Todisco, Schweizer Autor
* Peter Hunn, ehrenamtlicher Sterbebegleiter beim Verein PACE
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected] .
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10/18/2024 • 26 minutes, 47 seconds
«Das Institut» von Christian Haller: Macht und Machtmissbrauch
Ein junger Mann erhält eine Stelle in einem Institut, das nicht nur Konzepte für eine Zukunft erarbeitet, sondern selbst auch ein Player ist. So gerät er in den Strudel von Macht und Machtmissbrauch und versucht, sich mit Anstand und Würde aus der Affäre zu ziehen.
In seinem neusten Roman verarbeitet der letztjährige Gewinner des Schweizer Buchpreises Christian Haller seine Zeit bei. Ersten und berühmtesten Thinktank der Schweiz, beim Gottlieb-Duttweiler-Institut. Jetzt, die fünfzig Jahre später, schreibt er einen Roman über das fulminante Leben unter Mächtigen aber auch über die Folgen Macht und Machtmissbrauch in hohen Wirtschaftskreisen.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Christian Haller. Das Institut. Luchterhand, 2024
Im Podcast zu hören:
* Christian Haller, Schriftsteller
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected] .
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10/4/2024 • 27 minutes, 19 seconds
«Kleine Monster» von Jessica Lind: Die «heile Kindheit» gibt es nicht
Eine Mutter erfährt, dass sich ihr kleiner Sohn in der Schule vor einer Mitschülerin entblösst hat. Was ist mit ihm los? Die Verunsicherung der Mutter ist total.
«Kleine Monster», der zweite Roman der Österreicherin Jessica Lind, ist für Host Felix Münger ein psychologisch raffinierter Familienroman, der gängige Bilder der Kindheit hinterfrage.
Das Vorkommnis in der Schule weckt in der Mutter die Erinnerung an eine tabuisierte Katastrophe in ihrer eigenen Kindheit: Damals ertrank die jüngste Schwester. Die Umstände wurden nie geklärt. In der Familie verbreitete sich Misstrauen. Es vergiftete das Klima – und wirkte traumatisierend. Jessica Lind verschränkt in ihrem Roman das Damals mit dem Heute – und entlarvt die Vorstellung der «heilen Kindheit» als Illusion.
Dieses Buch steht im Zentrum:
* Jessica Lind: Kleine Monster. Hanser Berlin, 2024.
Im Podcast zu hören sind:
* Jessica Lind, Schriftstellerin
* Klaus Müller-Wille, Professor für nordische Sprachen und Literaturen, Uni Zürich
Weiter erwähnte Bücher:
* Christopher Franzen: Crossroads, aus dem Englischen von Bettina Abarbanell. Rowohlt 2021.
* Philipp Oehmke: Schönwald. Piper, 2023.
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9/20/2024 • 29 minutes, 41 seconds
«Die dritte Hälfte»: Sabine Peters berührender Roman übers Altwerden
Die Frage Zeit falte sich im Alter plötzlich anders auf, sagt Sabine Peters: «Was ist die eigene Lebenszeit? Was ist die Zeit des Lebens?» Mit «Die dritte Hälfte» hat sie ein nachdenkliches, aber auch vergnügliches Buch über ein Tabu-Thema geschrieben.
Dass wir hinfällig und schliesslich sterben werden, verdrängen wir gerne. Da ist auch der Hausarzt, der im Zentrum von Sabine Peters Romans steht, keine Ausnahme. Hermann Dik, genannt Doc, fürchtet sich vor der Pensionierung, auch, weil er keinen Nachfolger findet und sich um seine Patientinnen und Patienten sorgt.
Der Hausarzt, ein Auslaufmodell – Sabine Peters schreibt nahe an der Realität. Sie fächert ein packendes Wimmelbild auf und erzählt die Geschichte ihres Protagonisten und die der Menschen um ihn herum mit leichter Hand und Spass am rasanten Dialog. Immer wieder erlaubt sie dabei überraschende Blicke auf das Tabu-Thema Alter. Zum Beispiel, wenn eine ihrer Figuren fragt: «Welcher Mensch von über sechzig Jahren stellt sich noch die Frage, was er später sein will?»
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Sabine Peters. Die dritte Hälfte. 231 Seiten. Wallstein Verlag
Weitere erwähnte Bücher:
* Jean Améry. Über das Altern. 176 Seiten. Klett-Cotta Verlag
* Didier Eribon. Eine Arbeiterin. Deutsch von Sonja Finck. 272 Seiten. Suhrkamp Verlag
Im Podcast zu hören sind:
* Sabine Peters, Buchautorin
* Kurt Seifert, Sozialwissenschaftler
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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9/6/2024 • 27 minutes, 30 seconds
«Stay True» von Hua Hsu: Mord erschüttert College-Idylle
Ein brutaler Mord bewegt das Campusleben in Berkeley. Ein junger Mann verliert seinen Freund und stürzt sich ins Schreiben.
Berkeley Kalifornien, Ende 1990iger Jahre: Zwei junge Studenten, Ken und Hua, lernen sich an der Uni kennen und werden Freunde. Sie sind unterschiedlich, trotzdem verbringen sie viel Zeit miteinander, diskutieren leidenschaftlich über Musik, Filme und Bücher. Diese Freundschaft endet abrupt, als Ken mit Anfang 20 ermordet wird. Hua, zutiefst erschüttert, schreibt jede Erinnerung an Ken auf und denkt in seinem autobiografischen Buch «Stay True» über Trauer, Freundschaft, Wahrhaftigkeit und Herkunft nach. Dadurch wird «Stay True» eine Hommage auf Ken, das Buch ist aber auch eine Reflexion über Identität, Herkunft und die Fragilität des Lebens.
Jennifer Khakshouri und Michael Luisier unterhalten sich in «Literaturclub: Zwei mit Buch» über «Stay True. Memoir über Freundschaft», der mit einem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Hua Hsu. Stay True. 232 Seiten. AKI Verlag, 2024.
Im Podcast zu hören sind:
* Hua Hsu, Autor von «Stay True»
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8/23/2024 • 28 minutes, 51 seconds
«Reichskanzlerplatz» von Nora Bossong: Wer war Magda Goebbels?
Wie wurde aus der jungen, offenen, an Kunst und Fremdsprachen interessierten Magda Quandt die flammende Nationalsozialistin und «Übermutter des Dritten Reichs» Magda Goebbels? Diesen Weg zeichnet Nora Bossong in ihrem neuen Roman nach, anhand eines kaum bekannten Weggefährten.
Die Frage, wo die spätere Magda Goebbels in ihrem Leben anders hätte abbiegen können, ist zentral für Nora Bossongs Roman, weil die heimliche First Lady des «Dritten Reichs» auch symbolisch für das steht, was mit Deutschland in der Zeit geschieht. Und sie drängt sich auf, weil die Autorin eine überraschende Perspektive für ihr Buch wählt: Der Ich-Erzähler führte einst eine Beziehung mit Magda – für ihn, der später im «Dritten Reich» als Funktionär Karriere macht, ein Weg, seine Homosexualität zu verbergen, für sie ein Weg, aus ihrer ersten Ehe auszubrechen. Nora Bossong bietet ungeschönte Einblicke in die Abgründe der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie: Ein unbequemes, aber höchst beeindruckendes Buch, findet Host Simon Leuthold.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Nora Bossong. Reichskanzlerplatz. 295 Seiten. Suhrkamp, 2024.
Im Podcast zu hören ist:
* Nora Bossong, Buchautorin
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8/9/2024 • 28 minutes, 35 seconds
«Seinetwegen» von Zora del Buono: War er wirklich ein Hallodri?
Nach 60 Jahren hat sich die Schweizer Schriftstellerin Zora del Buono auf die Suche nach dem Mann gemacht, der für den Tod ihres Vaters verantwortlich ist. Daraus entstanden ist «Seinetwegen», ein sehr behutsames Buch über Schuld.
1963: Zora del Buono war gerade einmal acht Monate alt, als ihr Vater bei einem Autounfall in der Ostschweiz ums Leben kam. Der tote Vater – er wurde zur Leerstelle in del Buonos Leben. Sie wuchs allein bei ihrer Mutter auf. Über den Unfall geredet wurde kaum.
Jetzt, mit Anfang 60, überkam del Buono das Bedürfnis, mehr darüber zu erfahren, wie sich der Unfall damals zugetragen hat. Sie wollte den Verursacher finden, der mit viel zu hoher Geschwindigkeit auf der Landstrasse unterwegs gewesen war.
Wie hat er all die Jahre gelebt mit seiner Schuld? Was war er für ein Mensch? War er wirklich der Hallodri, als der er in ihrer Familie immer galt? Diese Fragen hat sich del Buono gestellt und ihre Recherche schreibend begleitet. Herausgekommen ist das Buch «Seinetwegen». Keine plumpe Anklageschrift, sondern ein behutsames Buch über Schuld, das zeigt, wie schnell ein Unfall binnen weniger Sekunden das Leben mehrerer Menschen verändern – oder gar beenden – kann.
Für diese Folge von «Literaturclub: Zwei mit Buch» hat sich SRF-Literaturredaktorin Katja Schönherr mit Zora del Buono auf dem Friedhof Fluntern in Zürich getroffen – am Grab des Vaters.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Zora del Buono: «Seinetwegen». 204 Seiten. C.H. Beck, 2024.
Im Podcast zu hören sind:
* Zora del Buono, Schweizer Autorin
* Dr. Gianclaudio Casutt, Verkehrspsychologe
Weitere, im Podcast erwähnte Bücher:
* Zora del Buono: «Die Marschallin». 384 Seiten. Diogenes, 2022.
* Zora del Buono: «Gotthard». 160 Seiten. Diogenes, 2024.
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7/26/2024 • 26 minutes, 12 seconds
«Sprung ins Leere» von Heinrich Steinfest: Literatur und Kunst
Heinrich Steinfest schreibt über Kunst. Und schafft damit selbst ein Kunstwerk. Gekonnt erzählt und sprachlich brillant nimmt es uns mit auf eine Abenteuerreise, die bis nach Japan führt. Immer auf der Suche nach dem Geheimnis eines unverhofft aufgetauchten Bildes.
Das Bild heisst «Sprung in die Leere» und stammt von einer verschollenen Frau. Es zeigt praktisch dasselbe Motiv wie ein sehr bekanntes Bild des französischen Künstlers Yves Klein mit demselben Titel, nur dass bei Yves Klein ein Mann ins Leere springt und bei der unbekannten Frau eine Frau. Der Clou dabei: Das Bild der Frau ist drei Jahre älter als das des weltbekannten Künstlers.
Warum ist das so? Und wo ist die Frau geblieben? Heinrich Steinfest schickt die Enkelin der verschollenen Frau auf die Suche nach ihr. Bald wird klar, dass die Frau genug Spuren hinterlassen hat, um sie – falls sie denn noch lebt – tatsächlich auch zu finden. Sicher aber ist die Anlage des Buches ein wunderbarer Ausgangspunkt für einen begnadeten Erzähler wie Heinrich Steinfest.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Heinrich Steinfest. Sprung ins Leere. 496 Seiten. Piper Verlag, 2024.
Im Podcast zu hören sind:
* Heinrich Steinfest, Buchautor
* Ann Demeester. Direktorin des Kunsthaus Zürich
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7/12/2024 • 27 minutes, 58 seconds
«Martha und die Ihren» von Lukas Hartmann: Die Schande der Armut
Verdingkind, Armut, Fabrikarbeit, Plackerei bis zum Umfallen – Lukas Hartmann spürt in seinem aktuellen Roman dem harten Los seiner um die Jahrhundertwende geborenen Grossmutter nach. Und wie sie die Erfahrung der bitteren Not an ihre Kinder und Enkel vererbte – mit dramatischen Folgen.
Im Podcast erzählt Lukas Hartmann, er habe lange gezögert, sich an diesen intimen Familienstoff zu wagen. Zuletzt habe er dessen literarische Umsetzung, bei der er auch sich selbst als Figur auftreten lässt, als innere Verpflichtung empfunden.
Herausgekommen ist ein Werk, das – laut Host Felix Münger – als Jahrhundertroman gelten kann: Er mache an realen und psychologisch komplexen Figuren die sich wandelnden Lebenswirklichkeiten und Mentalitäten der Schweiz im 20. Jahrhundert greifbar.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Lukas Hartmann. Martha und die Ihren. 297 Seiten. Diogenes, 2024. (Hörbuch, gelesen von Alexandre Pelichet, Diogenes, 2024.)
Im Podcast zu hören sind:
* Lukas Hartmann, Buchautor
* Brigitte Studer, Historikerin
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6/28/2024 • 33 minutes, 37 seconds
«Maifliegenzeit»: Matthias Jügler über vorgetäuschten Säuglingstod in der DDR
«Eine grössere Leerstelle kann ich mir nicht vorstellen», sagt Matthias Jügler über die Kinder, die in der DDR unmittelbar nach der Geburt für tot erklärt und zur Adoption an kinderlose Parteikader weitergegeben wurden.
Was wie eine Räuberpistole klingt, ist belegt, auch wenn eine grosse Dunkelziffer vermutet wird. Matthias Jügler, der 1984 in der DDR geboren wurde, interessiert aber weniger der Krimi-Aspekt dieser ungeheuerlichen Vorkommnisse. Er geht in seinem neuen Roman der Frage nach, wie Eltern und Kinder mit einem solchen Schicksal leben – mit der Ungewissheit, der Suche und eben der Leere.
Der Vater in «Maifliegenzeit» findet etwas Ruhe beim Fischen. Matthias Jügler ist selbst ein passionierter Fischer. Das Interview verlegte er deshalb in die Wolkensteiner Schweiz am Eingang zum Erzgebirge. Der Roman spielt zwar in einer anderen Gegend, aber dort fische es sich nicht so gut wie an der Zschopau. Tatsächlich biss eine Forelle an, kaum dass Matthias Jügler einen Maifliegenköder übers Wasser tanzen liess
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Matthias Jügler. Maifliegenzeit. 153 Seiten. Penguin Verlag, 2024.
Im Podcast zu hören ist:
* Matthias Jügler, Buchautor
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6/14/2024 • 26 minutes, 14 seconds
«Die Entflammten» von Simone Meier: Die Frau, die Vincent van Gogh zur Ikone machte
Vincent van Gogh verdankt seinen Ruhm seiner Schwägerin Jo van Gogh-Bonger. Sie ist eine von zwei Frauen, welche Simone Meier in ihren Roman «Die Entflammten» gepackt hat.
Mit dem Roman «Die Entflammten» ist Simone Meier eine Mischung aus Roman und Doku-Fiktion gelungen. In «Literaturclub: Zwei mit Buch» unterhalten sich Jennifer Khakshouri und Michael Luisier mit Simone Meier und fragen sie unter anderem, was sie am historischen Stoff interessiert und wie sie diesen in ihren fiktionalen Text eingewoben hat.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Simone Meier. Die Entflammten. Kein & Aber, 2024.
Im Podcast zu hören:
* Simone Meier, Journalistin und Schriftstellerin
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5/31/2024 • 25 minutes, 47 seconds
Von der eigenen Mutter krank gemacht: Valerie Fritschs neuer Roman
«Zitronen» handelt vom Kind einer Mutter mit Münchhausen-by-proxy-Syndrom: Sie redet ihm ein, es sei krank und schwach, und es muss Tabletten schlucken, die es schwach und müde machen. Für Simon Leuthold ein bildstarkes Buch darüber, wie sich Zärtlichkeit und Gewalt gegenseitig bedingen können.
Das eigene Kind bewusst krank machen, damit man als besonders fürsorgliche Mutter angesehen wird: Was treibt eine Mutter dazu? Welche Folgeschäden trägt der traumatisierte junge Mann aus seiner Jugend davon? Was geht in Menschen vor, die zwar für Gewalttaten bestraft wurden, sie aber nach wie vor für «die richtige Entscheidung» halten? Diesen Fragen geht Valerie Fritsch in ihrem sprachlich beeindruckenden Roman nach, der neben menschlichen Abgründen auch eine berührende Liebesgeschichte zu bieten hat.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Valerie Fritsch. Zitronen. 186 Seiten. Suhrkamp, 2024.
Im Podcast zu hören sind:
* Valerie Fritsch, Buchautorin
* Georg Staubli, Kinderarzt, Leiter der Kinderschutzgruppe am Kinderspital Zürich
* Ulrich Sachsse, Psychiater
Weitere erwähnte Bücher:
* Helga Schubert. Vom Aufstehen. 224 Seiten. dtv, 2021.
* Ulrich Sachsse (Hrsg.). Proxy – dunkle Seite der Mütterlichkeit. 152 Seiten. Schattauer, 2015.
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5/17/2024 • 33 minutes, 51 seconds
Neuer Roman von Mareike Fallwickl: Der grösste Frauenstreik ever
Was würde passieren, wenn alle Frauen streiken? Wenn keine einzige Frau mehr den Haushalt in Schuss halten, Kinder betreuen oder bedürftige Menschen pflegen würde? Dieses Szenario schildert Mareike Fallwickl in ihrem neuen Roman «Und alle so still». Ein aufwühlendes Buch, findet Katja Schönherr.
Die Österreicherin Mareike Fallwickl gilt als eine der bekanntesten feministischen Schriftstellerinnen im deutschsprachigen Raum. Mit ihrem Roman «Die Wut, die bleibt» gelang ihr 2022 ein Bestseller. Darin geht es um eine Mutter dreier Kinder, die sich vor Erschöpfung und Verzweiflung das Leben nimmt. Ein Buch, das einen nicht mehr loslässt.
Mit einem ebenso aufwühlenden Buch legt Fallwickl jetzt nach: Ihr neuer Roman heisst «Und alle so still». Darin wird das Szenario eines weltweiten Care-Streiks skizziert. Sämtliche Frauen legen sich auf den Boden. Sie sind schlichtweg zu ausgelaugt, um weiterzumachen wie bisher.
Mareike Fallwickl schildert das Chaos, das in dieser Situation (mutmasslich) entstehen würde: Verletzte bleiben in den Krankenhäusern unbehandelt, schreien, sterben. Niemand kümmert sich um Kinder oder pflegebedürftige Alte. Und viele Männer reagieren auf diesen weiblichen Ausstand mit Wut. Gewaltvoll versuchen sie, die Frauen dazu zu bringen, wieder zu funktionieren.
Neben dystopischen enthält «Und alle so still» aber auch viele schöne, utopische Momente. Zum Beispiel beginnen die Frauen in dem Roman, sich miteinander zu solidarisieren und schöpfen daraus die Kraft, ihre Verweigerung fortzusetzen.
Mareike Fallwickl sagt, mit diesem Buch wolle sie zeigen, «dass Care-Arbeit viel, viel wichtiger ist, als wir alle immer denken und anerkennen». Das ist ihr gelungen.
Sie hat einen Roman mit offensichtlich feministischer Agenda geschrieben. Pamphlete haben in der Literatur eigentlich einen schlechten Ruf. Gut, dass sich Fallwickl trotzdem an eines gewagt hat. «Und alle so still» ist ein mitreissendes Gedankenszenario zum grössten Frauenstreik ever.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Mareike Fallwickl: «Und alle so still». 368 Seiten. Rowohlt, 2024.
Im Podcast zu hören sind:
* Mareike Fallwickl, österreichische Autorin
* Franziska Schutzbach, Schweizer Geschlechterforscherin und Soziologin
Weitere erwähnte Bücher:
* Mareike Fallwickl: «Die Wut, die bleibt». 384 Seiten. Rowohlt, 2022.
* Sylvia Plath. «The Unabridged Journals of Sylvia Plath». 768 Seiten. Random House, 2000.
* Franziska Schutzbach: «Die Erschöpfung der Frauen.» 304 Seiten. Droemer, 2021.
5/3/2024 • 25 minutes, 26 seconds
«Minihorror» von Barbi Markovic: Ein ausgezeichnetes Buch
Gerechnet hätte sie nicht damit. Im Gegenteil. Trotzdem erhält die Schriftstellerin Barbi Markovic für ihr aktuelles Buch «Minihorror» den Preis der Leipziger Buchmesse. Literaturredaktor Michael stellt dieses in zweifacher Hinsicht «ausgezeichnete Buch» vor.
Das Neue an Barbi Markovics Buch: Die Schriftstellerin benutzt Elemente aus dem Comic und kleidet sie in ein literarisches Gewand. Mini und Miki sind die beiden Hauptfiguren des Buches und erleben 27 Abenteuer, die alle irgendwie mit Horror zu tun haben. Und auch der Horror ist in zweifacher Hinsicht interessant. Einerseits als der Horror, den die Figur Mini erlebt, andererseits als Horror im Sinne von «klein». Kleine schreckliche Begebenheiten, die für sich genommen haarstäubend und verstörend sind. Die aber alle grossen Spass machen beim Lesen. Das zeigt die aktuelle Folge von «Literaturclub: Zwei mit Buch» mit Michael Luisier und Jennifer Khakshouri.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Barbi Markovic. Minihorror. 192 Seiten. Residenz Verlag, 2023.
Weiteres im Podcast erwähntes Buch:
* Barbi Markovic. Die verschissene Zeit. 304 Seiten. Residenz Verlag, 2021.
Im Podcast zu hören sind:
* Barbi Markovic, Schriftstellerin
* Daniela Strigl, Literaturwissenschaftlerin
* Christian Gasser, Comic-Experte, Journalist
Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: [email protected] .
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4/19/2024 • 28 minutes, 47 seconds
«Wir werden jung sein» von Maxim Leo: Die Abschaffung des Todes
Der Wissenschaft gelingt es, die Menschen mit einer Pille zu verjüngen. Dieses Szenario ist mehr als blosse Fantasterei – und ist das Thema im aktuellen Roman des Deutschen Maxim Leo. Ein Buch, das anregende Unterhaltung mit philosophischem Tiefgang biete, findet Host Felix Münger.
Was auf den ersten Blick vielleicht verlockend klingt, erweist sich bei genauem Hinsehen als zweischneidig: Wenn wir Menschen nicht mehr altern würden, bliebe irgendwann kein Platz mehr für Nachwuchs. Und: Würde es uns überhaupt gelingen, eine unbeschränkte Lebenszeit sinnvoll zu nutzen? Co-Host Simon Leuthold zweifelt, ob er eine derartige Pille überhaupt einnehmen würde.
Zweifelsohne würde ein Elixier zur Verjüngung unser Leben fundamental verändern. Doch es sei «in den Bereich des Realistischen» gerückt, sagt der ETH-Forscher Ferdinand von Meyenn: «Wir sind noch am Anfang, aber wir haben das Tor zur Verjüngung aufgestossen.»
Dieses Buch steht im Zentrum:
Maxim Leo. Wir werden jung sein. 304 Seiten. Kiepenheuer und Witsch, 2024.
Im Podcast zu hören sind:
* Maxim Leo, Buchautor
* Ferdinand von Meyenn, ETH-Professor für Ernährung und Epigenetik
Weitere erwähnte Bücher:
* Don DeLill. Null K. Kiepenheuer und Witsch 2016. (288 Seiten)
* Thea Dorn. Die Unglückseligen. Albrecht Knaus Verlag 2016. (560 Seiten)
Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: [email protected]
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4/5/2024 • 27 minutes, 54 seconds
«Lichtungen»: Iris Wolff über Grenzen und Lebensentwürfe
Iris Wolff erzählt in ihrem neuen Roman von einer deutschsprachigen Minderheit in der abgelegenen Maramuresch an der Grenze zur Ukraine. Es ist eine magische Welt, aber auch versehrt durch ethnische Spannungen und den Terror der Ceaucescu-Diktatur.
«Man ist, einmal gegangen, immer ein Gehender.» Das sagt Levs Grossvater. Er flüchtete aus Rumänien. Der Enkel bleibt, auch nach dem Ende der Diktatur. Es braucht den Ruf seiner langjährigen, aber oft unerreichbaren Freundin, damit er sich auf den Weg macht.
Franziska Hirsbrunner fasziniert, wie Iris Wolff ihren Protagonisten Lev mit unsichtbaren Fäden an viele Zeiten und Menschen bindet. Diese Art zu erzählen könne erhellender sein als ein historischer Abriss, meint Katja Schönherr.
«Lichtungen» ist eine Liebesgeschichte, aber auch ein Roman über eine Landschaft und die Geschicke ihrer Bewohnerinnen und Bewohner. Iris Wolff, 1977 in Siebenbürgen geboren und 1985 mit ihrer Familie nach Deutschland ausgewandert, lässt ihre Heimat Rumänien nicht los – zum Glück für die Lesenden.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Iris Wolff. Lichtungen. 255 Seiten. Klett-Cotta Verlag.
Weiteres im Podcast erwähntes Buch:
* Dana von Suffrin: Nochmal von vorne. 240 Seiten. Kiepenheuer & Witsch, 2024.
Im Podcast zu hören ist:
* Iris Wolff, Buchautorin
Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: [email protected]
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3/22/2024 • 27 minutes, 27 seconds
«Tinte» von Anna Sommer: Ein wortloses, poetisches Abenteuer
Was macht ein literarisches Werk aus? Braucht es zwingend Worte? Jennifer Khakshouri und Michael Luisier unterhalten sich über den Bildband «Tinte» von Anna Sommer, ein Buch ganz ohne Worte, dafür aber mit starken Bildern.
Die Schweizer Illustratorin und Comiczeichnerin Anna Sommer hat ein poetisches, bildreiches Buch geschaffen. Es handelt von einer Frau, die sich auf die Suche nach Tinte begibt, um sich damit ihre Augen aufzumalen. Auf der Suche nach der Farbe trifft die Protagonistin auf Kreaturen, die sie entweder behindern oder helfen, dem Ziel, Tinte zu finden, näher zu kommen. Die Bilder, die Anna Sommer für ihr Buch mit einem Messer aus buntem, japanischem Papier geschnitten hat, sind reduziert. Die Künstlerin fängt literarische Stoffe ein und schafft emotionale Bilder, die trotz Ernsthaftigkeit auch humorvoll sind. Eine abenteuerliche Geschichte mit überraschender Pointe am Schluss. Ein poetisches Werk, das man nicht vergessen wird.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Anna Sommer. Tinte. 64 Seiten. Edition Moderne, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Anna Sommer, Illustratorin und Comiczeichnerin, Autorin von «Tinte»
* Mark Welzel, früherer Co-Verleger von Arache Coeur, heute für die Publikationen am Museum Rietberg verantwortlich.
Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: [email protected] .
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3/8/2024 • 24 minutes, 43 seconds
Im braunen Kärntner Wald: Julia Josts neuer Roman
In «Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht» schaut ein Kind auf die vermeintliche Kärntner Idylle der 90er Jahre: Populismus und braunes Gedankengut überall, Eltern, die zu zweifelhaftem Reichtum kommen – und doch Freiheit. Diese Gratwanderung beeindruckt Simon Leuthold.
Die Familie des 11-jährigen Mädchens ist zu Geld gekommen und zieht vom elterlichen Gasthof weg. Das Kind versteckt sich während der Umzugsarbeiten unter einem Lastwagen und erinnert sich: ans Spielen mit dem bosnischen Nachbarskind, an Gespräche, die es unter dem Gasthaustisch mitgehört hat, in denen es unter anderem um die «Lösung der Ausländerfrage» ging, an den Ariernachweis über dem Tisch in der Jägerstube. Gerade wegen der kindlich-naiven Perspektive eine bemerkenswerte literarische Leistung, mit der Julia Jost Einblicke in die österreichische Geschichte bietet, insbesondere die unaufgearbeitete NS-Vergangenheit und den Aufstieg des Populismus.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Julia Jost. Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht. 231 Seiten. Suhrkamp, 2024.
Im Podcast zu hören ist:
* Julia Jost, Buchautorin
Weitere erwähnte Bücher:
* Doron Rabinovici. Die Einstellung. 224 Seiten. Suhrkamp, 2022.
Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: [email protected]
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2/23/2024 • 28 minutes, 34 seconds
«Weltalltage» von Paula Fürstenberg: Gesundheit!
Die deutsche Autorin Paula Fürstenberg beschreibt in ihrem aktuellen Roman «Weltalltage», was es bedeutet, chronisch krank zu sein. Literaturredaktorin Katja Schönherr stellt das Buch ihrer Kollegin Franziska Hirsbrunner in dieser Podcast-Folge vor – und lobt den erzählerischen Wagemut der Autorin.
Was bedeutet es, krank zu sein? Und vor allem: Was bedeutet es, chronisch krank zu sein – und in einer Welt bestehen zu müssen, in der möglichst alle immer zu funktionieren haben? Um diese Fragen dreht sich der neue Roman der deutschen Autorin Paula Fürstenberg.
Paula Fürstenberg, Jahrgang 1987, hat am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel studiert und anschliessend einen vielbeachteten Debütroman veröffentlicht.
«Weltalltage» ist nun Fürstenbergs zweiter Roman: Er handelt von einer namenlosen Erzählerin, die seit ihrer Kindheit regelmässig an Schwindelanfällen leidet. Wenn ihr schwindelig wird, spricht sie – daher der Titel – von «Weltalltagen». Weil sie sich dann schwerelos fühlt und von der Aussenwelt isoliert.
Die Erzählerin lebt mit ihrem besten Freund in einer Wohngemeinschaft. Max war stets «der Gesunde» in ihrer Beziehung. Doch dann erkrankt Max an einer Depression. Das bisherige Verhältnis gerät ins Wanken, die Freundschaft steht vor einer Zerreissprobe.
Soweit zur Handlung. Das Besondere an diesem Roman ist aber sein Aufbau: Paula Fürstenberg treibt das Geschehen nämlich in Form von Listen voran. Ausserdem flicht sie viele essayistische Passagen ein. Darin denkt die Erzählerin beispielsweise über die nur scheinbar scharfe Grenze zwischen «gesund» und «krank» nach und darüber, welche gesellschaftlichen Umstände besonders krank machen.
Ein gelungenes formales Experiment – und dazu noch ein kluges!
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Paula Fürstenberg: «Weltalltage». 320 Seiten. Kiepenheuer & Witsch, 2024.
Im Podcast zu hören sind:
* Paula Fürstenberg, Autorin
* Nico Dragano, Professor für Medizinische Soziologie
Weitere erwähnte Bücher:
* Daniela Dröscher: «Lügen über meine Mutter». 448 Seiten. Kiepenheuer & Witsch, 2022.
* Lina Meruane: «Rot vor Augen». 208 Seiten. Arche, 2019.
* Susan Sontag: «Krankheit als Metapher & Aids und seine Metaphern». 160 Seiten. S. Fischer, 2022.
* Fritz Zorn: «Mars». 256 Seiten. S. Fischer, 1979.
2/9/2024 • 25 minutes, 47 seconds
«Das Philosophenschiff» – der neue Roman von Michael Köhlmeier
Michael Luisier und Jennifer Khakshouri besprechen in ihrer ersten gemeinsamen Folge von «Literaturclub: Zwei mit Buch» die Qualitäten von Michael Köhlmeiers brillantem, neuem Roman «Das Philosophenschiff». Dabei befassen sie sich speziell mit seiner, von den Figuren bestimmten, Erzählweise.
1922 lässt die Sowjetregierung den letzten Rest der russischen Intelligenzia per Schiff ins Ausland deportieren. Doch plötzlich steht das Schiff still. Als es weiterfährt, ist ein weiterer Passagier an Bord. Es ist Lenin.
Ein 14-jähriges Mädchen freundet sich mit dem schwerkranken einsamen Mann an. Es ist Anouk Perlemann-Jacob, die mit ihren Eltern, beide russische Intellektuelle, auf der Flucht ist. Im Alter von 100 Jahren hat sie eine Karriere als Architektin hinter sich und wird überall verehrt. Zum Schluss ihres Lebens möchte sie diese Geschichte loswerden, über die sie nie gesprochen hat. Die Geschichte ihrer Ausweisung als Mädchen aus der jungen Sowjetunion.
Michael, ein Vorarlberger Schriftsteller wird von ihr auserwählt, um ihre Geschichte aufzuschreiben. Warum dieser Michael nicht zwingend Michael Köhlmeier sein muss und warum dieser oft schreibt, was seine Figuren wollen, auch das ist Thema in dieser Folge von «Literaturclub: Zwei mit Buch».
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Michael Köhlmeier. Das Philosophenschiff. 220 Seiten. Hanser Verlag, 2024.
Im Podcast zu hören sind:
* Michael Köhlmeier, Buchautor
* Konrad Paul Liessmann, emeritierter Professor für Philosophie, Essayist und Kulturpublizist
Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: [email protected]
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2/9/2024 • 28 minutes, 51 seconds
«Radio Sarajevo» von Tijan Sila: In der Hölle der Belagerung
Der deutsche Autor Tijan Sila schildert in seinem aktuellen Roman «Radio Sarajevo», wie er in den 1990ern als Kind den Kriegshorror in der eingekesselten bosnischen Hauptstadt erlebt hat. Host Felix Münger überzeugt Silas «radikal subjektiver Blick» auf das Grauen von damals.
Tijan Sila wurde 1981 im damals noch jugoslawischen Sarajevo geboren. Er war elf Jahre alt, als der Bosnienkrieg ausbrach und serbische Kräfte um seine Stadt einen Belagerungsring zogen: Knapp vier Jahre lang Hunger, Kälte, Krankheiten und anhaltender Beschuss. Mehr als 11'000 Menschen starben.
Sila floh 1994 nach Deutschland. Im Podcast erzählt er, wie er die traumatischen Erlebnisse für Jahre verdrängte. Bis es ihm gelang, sich den quälenden Erinnerungen zu stellen. Und sie schliesslich zu diesem Buch zu verarbeiten, das durch die Augen des Kindes von damals zeigt, was Krieg Menschen antut – im zerfallenden Jugoslawien und anderswo.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Tijan Sila: Radio Sarajevo, Hanser Berlin 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Tijan Sila, Buchautor
* Fana Asefaw, Psychiaterin
Weiter erwähnte Bücher:
* Ales Adamowitsch, Daniil Granin. Blockadebuch. Leningrad 1941-1944, Aufbau 2018.
* Mina Hava. Für Seka. Suhrkamp, 2023.
* Erich Maria Remarque. Im Westen nichts Neues. Kiepenheuer & Witsch. 8. Aufl. 2013.
1/12/2024 • 27 minutes, 30 seconds
«Nachhausekommen»: Jan Peter Bremer über seine spezielle Kindheit
Der Vater ein angesagter Künstler, die Familienwohnung ein Schlösschen, die Umgebung traumhaft (u. a. eigener See). Klingt gut. War es aber nur bedingt. Damals in den 1970er Jahren waren die Hippies aus Westberlin im Grenzland zur DDR nicht gern gesehen. Und dann musste der Bub zur Schule.
Mobbing, der Clash zwischen neuen und alten Bewohnern des Zonenrandgebiets, die kompetitiven Zirkel rund um den Malerstar Uwe Bremer Der Sohn Jan Peter Bremer drückt den Strauss seiner Themen einem kindlich-naiven Erzähler in die Hand.
Franziska Hirsbrunner fasziniert, was daraus entsteht. Kein Klagen, keine psychologischen Erklärungen: man fällt beim Lesen einfach kopfüber in die Welt des Jungen hinein. Man wird mitgerissen von langen Sätzen, die sich wie Songtexte lesen. Man staunt über die Präzision, mit der Jan Peter Bremer Kindheitserinnerungen abrufen kann.
«Nachhausekommen» ist ein packendes, berührendes und streckenweise amüsantes Buch – ein echtes Juwel unter den vielen aktuellen Autofiktionen.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Jan Peter Bremer. Nachhausekommen. 206 Seiten. Berlin Verlag, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Jan Peter Bremer, Buchautor
* Davide Giuriato, Professor für Neuere deutsche Literatur, Universität Zürich
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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12/29/2023 • 26 minutes, 31 seconds
Im Meer der Erinnerungen: Deniz Utlus neuer Roman
«Vaters Meer» ist erzählt aus der Sicht von Yunus, der in Hannover als Sohn türkischstämmiger Eltern aufwuchs. Eine Spurensuche nach seinem Vater, der nach langer, kompletter Lähmung in Yunus Jugend verstorben ist – und ein beeindruckendes Buch über Herkunft und das Erzählen, findet Simon Leuthold.
Zehn Jahre ist Yunus Vater tot, davor war er weitere zehn Jahre mit dem «Locked-In»-Syndrom ans Bett gefesselt. Nun tastet Yunus sich zwischen Erinnerungen an seinen Vater, Familiengeschichten und recherchiertem Material an ihn heran. Immer wieder zweifelt er: Haben die Ereignisse wirklich so stattgefunden, oder «erinnert» er sich einfach an gut erfundene Geschichten? Simon Leuthold und Felix Münger haben Deniz Utlu für diese Sonderepisode live vor Publikum am Festival «BuchBasel» getroffen und mit ihm unter anderem darüber gesprochen, warum sein Roman nicht nur als Migrationsliteratur zu verstehen ist.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Deniz Utlu. Vaters Meer. 384 Seiten. Suhrkamp, 2023.
Im Podcast zu hören ist:
* Deniz Utlu, Buchautor
Weitere erwähnte Bücher:
* Emine Sevgi Özdamar. Mutterzunge. 140 Seiten. Suhrkamp, 2022 (Erstausgabe 1990).
* Dinçer Güçyeter. Unser Deutschlandmärchen. 216 Seiten. Mikrotext, 2022.
* Cihan Acar. Hawaii. 256 Seiten. Hanser Berlin, 2020.
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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12/15/2023 • 35 minutes, 5 seconds
Nele Pollatschek: Kleine Probleme (die aber grosse Probleme sind)
31. Dezember. Die Hauptfigur Lars will bis zum Jahreswechsel noch viel erledigen: Wohnung putzen, Steuererklärung machen, ein Buch schreiben... «Kleine Probleme» ist ein tragikomischer Roman über unser Scheitern an unerledigten Dingen. Für Katja Schönherr die «perfekte Unterhaltung mit Tiefgang».
Lars Cornelius Messerschmitt, 49 Jahre alt, ist ein Grübler. Ein Philosoph des Alltags. Anstatt einfach mit dem Putzen der Wohnung zu beginnen, denkt er intensiv darüber nach, dass es unmöglich ist, auf dieser Welt jemals so etwas wie «Ordnung» herzustellen.
Seine Familie winkt inzwischen nur noch ab, wenn Lars wieder einmal ein neues Vorhaben ankündigt. Alle wissen: Er wird es ohnehin nicht auf die Reihe kriegen.
An einem Freitag, 31. Dezember, nimmt sich Lars nun vor, in den wenigen Stunden bis zum Jahreswechsel sämtliche Dinge zu schaffen, die bislang unerledigt geblieben sind: Putzen, Steuererklärung, mit dem Rauchen aufhören, ein Buch schreiben. Die Liste geht noch weiter; Lars kann eigentlich nur scheitern.
Doch Lars bei diesem Scheitern zuzuschauen, ist ein absolutes Lesevergnügen. Zumal: Wer kennt es nicht – das Verzweifeln an den vielen kleinen Alltagshürden, die in der Summe zu grossen Problemen werden?
«Kleine Probleme» von Nele Pollatschek ist das, was man «Unterhaltung mit Tiefgang» nennt. Ein Roman voller Slapstick, aber nie albern. Ein Roman voller philosophischer Gedanken, aber nie zu abgehoben.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Nele Pollatschek. Kleine Probleme. 200 Seiten. Galiani Berlin, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Nele Pollatschek, Buchautorin
* Oliver Burkeman, Produktivitäts-Experte und Autor des Bestsellers «4000 Wochen. Das Leben ist zu kurz für Zeitmanagement».
* Das Schluss-Lied stammt von der deutschen Sängerin Elen: «Liegen ist Frieden»
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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12/1/2023 • 28 minutes, 48 seconds
«Paradise Garden» von Elena Fischer: Roadtrip zu sich selbst
Billie ist 14, lebt mit der Mutter in einer Hochhaussiedlung und weiss nicht, wer ihr Vater ist. Die Suche nach ihm entpuppt sich als Reise nach sich selbst. Elena Fischers Coming-of-Age-Geschichte «Paradise Garden» sei ebenso herzzerreissend wie herzerwärmend, findet Host Felix Münger.
«Paradise Garden», Elena Fischers Romandebüt, fesselt durch seine Atmosphäre: feine Melancholie, durchbrochen von humorvollen Farbtupfern. Die Figur Billie erzählt durch ihre Augen von den prekären Verhältnissen, in denen sie im Duo mit ihrer Mutter lebt, von ihrem Traum, Bücher zu schreiben – und vom unbekannten Vater. Er ist für die Jugendliche ein belastendes Mysterium.
Dann schlägt das Schicksal zu: Die Mutter stirbt. Die auf sich allein gestellte Billie macht sich auf einen Roadtrip in den Norden Deutschlands, wo sie ihren Vater vermutet. Eine Reise, in der die Jugendliche innerlich reift – und zur Schriftstellerin wird.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Elena Fischer. Paradise Garden. 343 Seiten. Diogenes, 2023.
Diogenes-Hörbuch, gelesen von Lena Urzendowsky.
Im Podcast zu hören sind:
* Elena Fischer, Buchautorin
* Benedict Wells, Buchautor
* Claudia Sackl, Germanistin, Universität Zürich
Weitere erwähnte Bücher:
* Johann Wolfgang von Goethe. Wilhelm Meisters Lehrjahre. Insel Verlag, 2023.
* Wolfgang Herrndorf. Tschick. 288 Seiten. Rowohlt Berlin, 2020.
* Benedict Wells. Hard Land. 352 Seiten. Diogenes, 2021.
11/17/2023 • 28 minutes, 34 seconds
Ein ungewöhnliches Paar in bewegten Zeiten: Lea Singers Roman «Die Heilige des Trinkers»
Er war ein Jude aus Galizien, sie eine Protestantin aus Hamburg mit afrokubanischem Vater. Die Beziehung zwischen dem Starjournalisten und Romancier Joseph Roth und der Grafikerin Andrea Manga Bell war geprägt von ihrer Stärke, seinem Alkoholismus und der gemeinsamen Liebe zur Literatur.
Franziska Hirsbrunner fasziniert, wie sehr dieser Roman über vergangene Zeiten auch von Aktuellem erzählt. Müsste Katja Schönherr in einem Fragebogen angeben, mit wem sie gerne mal zu Abend essen würde, wäre es Lea Singer: «Die hat ja wahnsinnig viel zu erzählen!»
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Lea Singer. Die Heilige des Trinkers. Joseph Roths vergessene Liebe. 300 Seiten. Kampa Verlag, 2023.
Im Podcast zu hören ist:
* Lea Singer, Schriftstellerin
Weiteres Audio:
Franziska Hirsbrunner im Gespräch mit Lea Singer über ihren Roman «Die Heilige des Trinkers. Joseph Roths vergessene Liebe».
Weitere erwähnte Literatur:
* Joseph Roth. Die Legende vom heiligen Trinker. dtv Verlag.
11/3/2023 • 29 minutes, 33 seconds
Im Familiengestrüpp: Philipp Oehmkes «Schönwald»
War Grossvater ein Nazi? Diese Frage bringt im ersten Roman des SPIEGEL-Journalisten Philipp Oehmke die propere Fassade der Familie Schönwald zum Bröckeln. Schönwalds haben das Kommunizieren als Familie verlernt und tun sich nicht zuletzt deswegen schwer mit dem Aufarbeiten ihrer Vergangenheit.
Das Buch war angekündigt als Roman nach dem Vorbild der «Great American Novel» aus den USA. Entstanden ist ein umfangreicher Familienroman, der die Unbeholfenheit vieler deutscher Familien im Umgang mit ihrer Geschichte beleuchtet und auch ein Schlaglicht auf Trumps Populismus in den USA wirft. Simon Leuthold ist beeindruckt von der Vielschichtigkeit und der gesellschaftlichen Tragweite des Buchs. Felix Münger dagegen zeigt sich skeptisch, ob Oehmke mit den grossen Vorbildern mithalten kann.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Philipp Oehmke. Schönwald. 544 Seiten. Piper, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Philipp Oehmke, Buchautor
* Oliver von Wrochem, Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme
Weiter erwähnte Bücher:
* W. G. Sebald. Austerlitz. 424 Seiten. Hanser, 2001.
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10/20/2023 • 28 minutes, 49 seconds
«Hinter der Hecke die Welt» von Gianna Molinari: Das Eis schmilzt, die Hecke wächst
Die Arktis, in der das Eis schmilzt. Und ein abgelegenes Dorf, in dem nichts mehr wächst ausser der Hecke drumherum. Das sind die Schauplätze in Gianna Molinaris neuem Roman. Katja Schönherr und Franziska Hirsbrunner begeben sich auf eine literarische Reise an diese Handlungsorte.
Schon in ihrem Debütroman zeigte die Schweizer Autorin Gianna Molinari ein Faible für ungewöhnliche Orte und Ideen. «Hier ist noch alles möglich» spielte in einer stillgelegten Fabrik, in der ein Wolf gejagt wurde. Das Debüt war für den Schweizer Buchpreis nominiert.
Auch in ihrem zweiten Buch «Hinter der Hecke die Welt» beweist Molinari wieder viel Originalität: Der Roman spielt in einem Dorf, in dem nichts mehr wächst ausser der Hecke drumherum. Nicht einmal die Kinder. Pina und Lobo, die einzigen jungen Menschen im Dorf, haben schon seit Jahren keinen Zentimeter mehr zugelegt.
Pinas Mutter hat unterdessen die Weite gesucht: Sie ist auf einem Forschungsschiff in der Arktis unterwegs und beobachtet, wie das Eis schmilzt, wie der arktische Lebensraum verschwindet.
«Hinter der Hecke die Welt» spielt mit drei Motiven: Der Roman handelt von Wachstum, Schrumpfen und Stillstand. Die Hecke wächst, die Arktis schrumpft. Und die Kinder, die nicht mehr wachsen, stehen still. Wollen sie womöglich gar nicht mehr weiterwachsen? Haben sie genug vom Credo des «Immer höher, schneller, weiter»? Gianna Molinaris neuer Roman lässt Vieles offen. Er ist daher eine wunderbare Einladung, sich Gedanken zu machen.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Gianna Molinari: «Hinter der Hecke die Welt». 200 Seiten. Aufbau-Verlag, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Gianna Molinari, Buchautorin
* Hubertus Fischer, Klimaphysiker und Eisforscher an der Universität Bern
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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10/6/2023 • 27 minutes, 38 seconds
«Als die Welt entstand» von Drago Jancar: Die Flügel der Fantasie
Ein Knabe wächst im Slowenien der Tito-Zeit auf – inmitten gesellschaftlicher und menschlicher Abgründe. Host Felix Münger überzeugt, wie Drago Jancar in «Als die Welt entstand» ganz Unterschiedliches zusammenbringt: Coming-of-Age-Geschichte, Krimi, Zeitgemälde und Analyse der menschlichen Existenz.
«Als die Welt entstand» spielt zu Beginn der 1960er Jahre im jugoslawischen Maribor, Drago Jancars Geburtsstadt. Der 12-Jährige Danijel erlebt eine völlig zerrissene Gesellschaft: Kommunisten, Atheistinnen, ehemalige Nazi-Kollaborateure und Kirchenleute stehen sich unversöhnlich gegenüber. Hinzu kommt ein grässlicher Mord aus enttäuschter Liebe und Eifersucht.
Danijel ist mit all dem Schrecken restlos überfordert und flieht in die Fantasie und Poesie: Er bringt das Erlebte mit biblischen Geschichten in Verbindung und entdeckt dadurch archetypische menschliche Verhaltensmuster. Dies gibt dem Jungen Halt – und macht den Roman universell.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Drago Jancar: Als die Welt entstand, aus dem Slowenischen von Erwin Köstler. 271 Seiten. Zsolnay Verlag, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Drago Jancar, Buchautor
* Amalija Macek, slowenische Literaturübersetzerin
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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9/22/2023 • 27 minutes, 26 seconds
«Sprechen lernen»: Bestsellerautorin Hilary Mantel über ihre Kindheit
Wie trainiert man sich einen Akzent ab? Wohin verschwand der Vater? Was war so verstörend an der Kindheit im Nordwesten Englands der 1950er Jahre? Einige Jahre vor dem Welterfolg ihrer Trilogie um Thomas Cromwell («Wölfe», «Falken», «Spiegel und Licht») ging Hilary Mantel diesen Fragen nach.
In den sechs Erzählungen, unter dem Titel «Sprechen lernen» erschienen, sei sie dabei ganz bei sich und gleichzeitig maximal analytisch, sagt die deutsche Publizistin und Autorin Elke Schmitter. Hilary Mantels Methode, die eigene Kindheit «autoskopisch», also wie unter dem Mikroskop in Augenschein zu nehmen, löse vielleicht den Trend der Autofiktion ab, spekuliert Katja Schönherr (neu bei «Literaturclub: Zwei mit Buch»). Für Host Franziska Hirsbrunner ist «Sprechen lernen» schlicht ein Lieblingsbuch – faszinierend, berührend, grandios erzählt.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Hilary Mantel. Sprechen lernen. Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence. 156 Seiten. Dumont Verlag, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Elke Schmitter, Publizistin und Autorin
* Hilary Mantel, Schriftstellerin
Nachruf von Elke Schmitter in der ZEIT: https://www.zeit.de/kultur/literatur/2022-09/hilary-mantel-schriftstellerin-tod-booker-preis
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9/8/2023 • 27 minutes, 48 seconds
Flucht vor der Wand des Schweigens: Wilfried Meichtrys neuer Roman
In «Nach oben sinken» will ein Jugendlicher seinen Grossonkel wieder aufspüren, der Schande über die Familie gebracht haben soll. Im katholischen Wallis der 70er-Jahre gibt es dafür kaum Worte. Für Host Simon Leuthold ein Roman, der die Frage aufwirft, wie wir Querschlägern in der Familie umgehen.
Wilfried Meichtrys Ich-Erzähler sehnt sich nach der Ferne, doch anstatt wirklich aufzubrechen, zieht er sich immer mehr in eine Fantasiewelt zurück – und beginnt eine obsessive Suche nach dem verschollenen Grossonkel, den seine Familie totschweigt. Simon Leuthold und Felix Münger sprechen über die Hintergründe dieses Schweigens, wie viel «echtes» Oberwallis in dieser Geschichte steckt, und über die zahlreichen Parallelen zum Leben des Autors.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Wilfried Meichtry. Nach oben sinken. 256 Seiten. Nagel und Kimche, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Wilfried Meichtry, Buchautor
* Pasqualina Perrig-Chiello, emeritierte Professorin für Entwicklungspsychologie
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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8/25/2023 • 28 minutes, 52 seconds
Nell Zink: «Avalon» - Wie steht es um den amerikanischen Traum?
Nell Zink zeigt mit ihrem neuen Roman verschiedene Aspekte des American Dream. Erzählt mit beissendem Humor, einer Liebe zu skurrilen Figuren und mythischen Motiven. Nicola Steiner spricht mit Franziska Hirsbrunner über das Buch und mit Claudia Brühwiler über die Idee des American Dream.
Die Jugendliche Bran hat schon früh Vater und Mutter verloren und wächst unter prekären Verhältnissen auf einer Farm in Torrance an der Ostküste der USA auf. Mit einer Clique aus kuriosen Freunden schafft sie die Highschool, aber anstatt aufs College zu gehen, muss sie sich anschliessend mit Gelegenheitsjobs durchschlagen. Eines Tages lernt Bran Peter kennen, der in ihr die Liebe zur Literatur weckt und sie zum Drehbuch-Schreiben animiert.
Nell Zink zeigt mit ihrem Roman verschiedene Aspekte des American Dream – den schier unüberwindbaren Klassismus und den gnadenlosen Wettbewerb im neoliberalen Kapitalismus. So zeigt der Roman die Suche nach dem richtigen Leben im falschen. Es geht um die Grenzen von Glück, Freiheit und persönlicher Entfaltung.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Nell Zink. Avalon. Aus dem Englischen von Thomas Überhoff. 272 Seiten. Rowohlt, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Nell Zink, Schriftstellerin
* Claudia Franziska Brühwiler, Titularprofessorin für amerikanisches politisches Denken und amerikanische Kultur an der Universität St. Gallen
Weiter erwähnte Bücher und Musik:
* Tom Kromer. Waiting for Nothing/Warten auf nichts
* Ry Cooder. Chávez Ravine
* F. Scott Fitzgerald. The Great Gatsby/Der grosse Gatsby
* Willa Cather. My Antonia
* Willa Cather. Song of the Lark/Das Lied der Lerche
* John Williams. Stoner
* John Steinbeck. Grapes of Wrath/Früchte des Zorns
* James Truslow Adamas. The Epic of America
* Jim Cullen. The American Dream: A Short History of an Idea that Shaped a Nation
8/11/2023 • 26 minutes, 47 seconds
«Die Verräter» von Artur Weigandt: Mit Putins Russland brechen
In seinem literarischen Debüt entzaubert der junge deutsche Autor Artur Weigandt verquere Vorstellungen der «russischen Welt» – und damit einen Teil seiner eigenen Identität.
Artur Weigandt wurde 1994 in der ehemaligen Sowjetunion geboren und gelangte als kleines Kind nach Deutschland. Die «russische Welt» blieb stets Teil seiner Identität. Bis zum Ukraine-Krieg.
In seinem Buch erzählt der Autor, wie er sich ab da auf die Suche nach seiner sowjetischen Abstammung macht. Und mit ihr bricht, nachdem er erkennt, dass sich in Putins Angriffskrieg die Gewalt fortsetzt, die schon seine Vorfahren durch das Sowjetregime erlitten haben.
Host Felix Münger ist beeindruckt von Artur Weigandts kompromissloser Abkehr von idealisierten Bildern der sowjetischen Herkunft. Auch deshalb, weil sich der Autor dadurch bei einem Teil der postsowjetischen Diaspora im Westen zum Verräter macht.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Artur Weigandt: Die Verräter. Hanser Berlin, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Artur Weigandt, Buchautor
* Sylvia Sasse, Professorin für Slavische Literaturwissenschaft, Universität Zürich
Weiter erwähnte Bücher:
* Wladimir Kaminer: Russendisko. Manhatten Verlag, 2000.
* Sylvia Sasse. Verkehrungen ins Gegenteil. Über Subversion als Machttechnik. Matthes & Seitz, 2023.
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7/28/2023 • 28 minutes, 7 seconds
«Dorf an der Grenze» von Aline Valangin: eine Tessiner Dorfgemeinschaft im 2. Weltkrieg
Franziska Hirsbrunner und Nicola Steiner diskutieren über «Dorf an der Grenze»: Ein Buch, das etwa 1945 entstand, aber erst in den 1980er Jahren publiziert wurde. Der Roman vermisst ein Tessiner Bergdorf zu Zeiten des 2. Weltkriegs und schaut genau hin, was die Rolle der Schweiz im Krieg betrifft.
Aline Valangin (1889-1986), Pianistin, Psychoanalytikerin, Bohemienne und Frau der Tat, hätte auch einen Roman über die illustren Gäste schreiben können, die sie in den Kriegsjahren in ihrem Palazzo in Comologno im Onsernonetal beherbergte: Exilierte Kulturschaffende wie Kurt Tucholsky fanden dort eine Heimat auf Zeit.
Sie richtete ihr Augenmerk jedoch auf Comologno, beschrieb, was der Krieg mit dem Dorf machte. Und zwar nicht von aussen oder von oben herab. Als Erzählerin ist sie mittendrin. Franziska Hirsbrunner fasziniert, wie Aline Valangin quasi in Echtzeit – der Roman entstand ca. 1945 – eine Fülle politischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge vermisst.
Mit Nicola Steiner und dem Historiker Peter Kamber diskutiert sie, was Aline Valangins Roman so hyperrealistisch und zugleich traumähnlich macht und woran es gelegen haben mag, dass er in Buchform erst in den frühen 1980er Jahren publiziert wurde. Spoiler: «Dorf an der Grenze» spricht Klartext über die nicht immer rühmliche Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Aline Valangin. Dorf an der Grenze. 224 Seiten. Limmat Verlag, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Peter Kamber, Historiker und Autor
* Aline Valangin, Schriftstellerin
Weitere Literatur:
* Peter Kamber. Geschichte zweier Leben. Wladimir Rosenbaum & Aline Valangin. 388 Seiten. Limmat Verlag. Überarbeitete Neuausgabe 2018.
* Aurelio Giovannacci und Martin Fricker. «Tot, verletzt oder lebendig»: Schlacht bei den Bagni di Craveggia.
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7/14/2023 • 31 minutes, 48 seconds
Florian Gottschick: «Damals im Sommer» – Der Sommer des Coming-Out
Ein 15-Jähriger entdeckt während der Sommerferien, dass er homosexuell ist: Er verliebt sich in einen anderen Jugendlichen, sein Leben gerät durcheinander. Für Simon Leuthold viel mehr als eine queere Sommerromanze: ein Buch über zwei ungleiche Brüder und ein Plädoyer für ein neues «Normal».
Für den namenlosen Protagonisten in Florian Gottschicks Roman ist es eine Erkenntnis, die sein Leben grundlegend verändert: Er liebt Männer. Darum herum erzählt der Autor eine abgründige Familiengeschichte über brüderliche Rivalität und die Unmöglichkeit, ganz aus elterlicher Prägung auszubrechen. Warum wählte Florian Gottschick dieses Setting für seinen Roman? Und ist «Heteronormativität» ein Unwort? Darüber (und über viel mehr) sprechen wir in dieser Folge.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Florian Gottschick. Damals im Sommer. 192 Seiten. Penguin, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Florian Gottschick, Buchautor
* Roman Heggli, Geschäftsführer Pink Cross Schweiz
Weiter erwähnte Bücher:
* John Steinbeck. Jenseits von Eden. 736 Seiten. dtv, 1987.
* André Aciman. Call Me by Your Name, Ruf mich bei deinem Namen. Aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann. 288 Seiten. dtv, 2018.
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6/30/2023 • 28 minutes, 7 seconds
Zwischen zwei Systemen: Samuel Finzi über seine Jugend in Bulgarien
In «Samuels Buch» blickt Samuel Finzi zurück auf seine Kindheit und Jugend im kommunistischen Bulgarien. Entstanden ist ein lebendiges, amüsantes und tiefgründiges Buch über Familie, Freundschaft und Freiheit. Nicola Steiner hat mit dem Schauspieler über sein Schreiben gesprochen.
Samuel Finzi wächst in einem Künstler-Milieu auf: Der Vater ist ein berühmter Schauspieler, die Mutter eine renommierte Pianistin. In den Sommerferien kommt meist die weit über den Globus verstreute jüdische Verwandtschaft zu Besuch und bringt Weltläufigkeit in die Enge des Lebens in der Diktatur. Samuel Finzi erzählt, wie er mit der Enkelin des Staatschefs Todor Schiwkow in die Schule geht – bis die Mutter ihn in eine andere Schule schickt. Vor allem aber erzählt er, wie er schon in jungen Jahren merkt: dies ist nicht mein Land. Die westliche Welt des Kapitalismus scheint für ihn so viel verheissungsvoller als der Kommunismus, in dem er aufwächst.
Verdichtet und bildhaft beschreibt Finzi Szenen aus seinem Leben – und wenn sie nicht wahr sein sollten, sind sie perfekt erfunden. Und immer schwingt ein doppelter Boden mit, wenn er die Lebensumstände in seiner Heimat beschreibt.
Nicola Steiner tauscht sich mit Franziska Hirsbrunner über das Buch aus.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Samuel Finzi. Samuels Buch. 224 Seiten. Ullstein, 2023.
* Das Hörbuch, erschienen bei Hörbuch Hamburg, hat der Autor selbst eingelesen.
Im Podcast zu hören ist:
* Samuel Finzi, Schauspieler
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6/16/2023 • 28 minutes, 25 seconds
«Immer zwei und zwei» von Tabea Steiner: In den Fängen der Freikirche
Einer Freikirche beizutreten ist nicht schwer, auszusteigen hingegen sehr. Davon erzählt Tabea Steiners Roman. Dabei gehe es auch um die Grundfrage, wie wir ein selbstbestimmtes Leben führen können, sagt Host Felix Münger.
Natali, die Hauptfigur des Romans, will nicht mehr. Die Mutter und Ehefrau hat genug von den Bevormundungen durch die Freikirche, in der sie seit Jahren mittut. Beflügelt von einer Liebesbeziehung zu einer Frau, sucht sie den Ausstieg. Und bezahlt dafür einen hohen Preis.
Wie schon in ihrem Debütroman «Balg» erzählt Tabea Steiner die Geschichte um Selbstbestimmung und unterschiedliche Beziehungsmodelle sprachlich zurückhaltend und frei von Effekthascherei. Der Religionssoziologe Jörg Stolz erkennt in Tabea Steiners Roman vieles von dem wieder, was Forschungen zum Freikirchenmilieu besagen.
Dieser Roman steht im Zentrum der Folge:
* Tabea Steiner: Immer zwei und zwei, edition bücherlese 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Tabea Steiner, Schriftstellerin
* Jörg Stolz, Religionssoziologe Uni Lausanne
Weiter erwähnte Bücher:
* Deborah Feldman. Unorthodox. Aus dem Englischen von Christian Ruzicska. Secession Verlag, 2016.
* Yael Inokai. Ein simpler Eingriff. Hanser Berlin, 2022.
* Tabea Steiner. Balg. edition bücherlese, 2019.
* Tara Westover. Befreit. Wie Bildung mir die Welt erschloss. Aus dem amerikanischen Englisch von Eike Schönfeld. Kiepenheuer & Witsch, 2018.
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6/2/2023 • 28 minutes, 51 seconds
Eine Mutter ohne Herkunft: «Maman» von Sylvie Schenk
Die 78jährige deutsch-französische Autorin Sylvie Schenk rekonstruiert in ihrem neuen Roman die Geschichte ihrer Mutter, die weitgehend unbekannt geblieben war. In akribischen Recherchen und einfühlsamen Erfindungen skizziert sie ein Leben im Dunklen und in der Sprachlosigkeit.
Was Sylvie Schenk über ihrer Mutter sage, treffe sie ins Herz, sagt Nicola Steiner. Franziska Hirsbrunner geht es genauso, aber sie findet, «Maman» sei bei aller Tragik ein glasklares und manchmal sogar verschmitztes Buch.
Zusammen mit Nicola Steiner diskutiert sie, wie Sylvie Schenk durch Exkurse in Zeitgeschichte, Gesellschaft und Politik das Leben der Mutter in grösseren Zusammenhängen zeigt, warum der Mutter nicht zu helfen war und wie das Schweigen in der Familie dazu führte, dass sich Traumata wiederholten.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Sylvie Schenk. Maman. 172 Seiten. Hanser Verlag, 2023.
Im Podcast zu hören ist:
* Sylvie Schenk, Schriftstellerin
5/19/2023 • 30 minutes, 56 seconds
Nazi-Swing für britische Ohren – Demian Lienhards neuer Roman
«Mr. Goebbels Jazz Band» erzählt die Geschichte einer Swing-Bigband, die im Zweiten Weltkrieg von den Nazis gegründet wurde, um Propaganda-Jazz für einen Radiosender gegen England zu produzieren.
Im Dritten Reich wurden Juden, Polen und Homosexuelle verfolgt und ermordet, doch zu Propagandazwecken mussten einige von ihnen als «Charlie and His Orchestra» US-amerikanische Swing-Songs fürs Radio spielen, versetzt mit neuen, pro-nationalsozialistischen Texten. Ausgerechnet Swing, jene Musikrichtung, die unter den Nazis weitgehend verboten wurde. Demian Lienhards neuer Roman zeigt den Zynismus des Nazi-Regimesan diesem Beispiel aus der realen Geschichte in aller Deutlichkeit. Für Host Simon Leuthold ausserdem ein Buch, das zum Nachdenken über das Verhältnis von Wahrheit und Erfindung in der Propaganda anregt – und über ein spannendes Kapitel in der Geschichte des Jazz.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Demian Lienhard. Mr. Goebbels Jazz Band. 320 Seiten. Frankfurter Verlagsanstalt, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Demian Lienhard, Buchautor
* Annina Salis, Musikredaktorin SRF
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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5/5/2023 • 28 minutes, 38 seconds
Odessa, ferne Stadt: «Sommer in Odessa» von Irina Kilimnik
Irina Kilimnik setzt in ihrem Roman-Debut «Sommer in Odessa» ihrer Heimatstadt ein Denkmal. Das Buch spielt im Sommer 2014, auf die vor Schönheit und Lebendigkeit und Hitze flirrende Stadt legt sich bereits der Schatten der Krim-Annexion.
Im Zentrum dieses Familienromans steht die Ich-Erzählerin Olga, die (gegen ihren Willen) Medizin studiert und mit ihrer Mutter, deren beiden Schwestern und ihren Cousinen in einem Frauenhaushalt lebt – wäre da nicht der Grossvater, der leicht despotisch alle Fäden in der Hand hat und seine Geheimnisse dabei gern für sich behält. Eine «typisch osteuropäische» Coming-of-age-Geschichte, wie Irina Kilimnik sagt, die in einer Stadt spielt, die es so nicht mehr gibt. Nicola Steiner hat mit der Autorin gesprochen und erkundet gemeinsam mit Franziska Hirsbrunner dieses Odessa von 2014.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Irina Kilimnik. Sommer in Odessa. 288 Seiten. Kein & Aber, 2023.
Im Podcast zu hören ist:
* Irina Kilimnik, Schriftstellerin
Weitere erwähnte Bücher:
* Isaak Babel. Mein Taubenschlag. Sämtliche Erzählungen. 864 Seiten. Carl Hanser, 2014.
* Szczepan Twardoch. Der Boxer. Rowohlt, 2018.
* Szczepan Twardoch. Morphin. Rowohlt, 2015.
«Panzerkreuzer Potemkin»:
Sergei Eisensteins Stummfilm von 1925 mit englischen Untertiteln
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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4/21/2023 • 27 minutes, 7 seconds
Die Jagd nach Einsteins Genialität: Franzobels neuer Roman
Ein Arzt stiehlt nach Einsteins Tod 1955 dessen Gehirn, um der Genialität des Jahrhundert-Physikers auf die Spur zu kommen. Auf dieser wahren Geschichte beruht Franzobels Buch «Einsteins Hirn». «Zwei mit Buch»-Host Felix Münger ist fasziniert vom Sprachwitz und den grotesken Verzerrungen des Buchs.
Einsteins Hirn brachte der Hauptfigur keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse. Im Gegenzug führte sie der Diebstahl in den beruflichen und persönlichen Abgrund. Weshalb? Und: Woher kam die Besessenheit, in der Hirnstruktur die Genialität nachweisen zu können?
Aus heutiger Sicht sei das Unterfangen von Anfang an aussichtslos gewesen, sagt der Hirnforscher Fritjof Helmchen. Intelligenz lasse sich nicht an der Form des Gehirns ablesen, sondern daran, wie Hirnzellen untereinander kommunizieren. Und darüber wisse die Forschung bis heute nur wenig.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Franzobel: Einsteins Hirn. 543 Seiten. Zsolnay Verlag, 2023. Das Hörbuch, gelesen von David Nathan, ist bei Lübbe Audio erschienen.
Im Podcast zu hören sind:
* Franzobel, Buchautor
* Fritjof Helmchen, Professor für Neurowissenschaft, Uni Zürich
Weiter erwähnte Bücher:
* Franzobel. Das Floss der Medusa. Zsolnay, 2017. (592 Seiten)
* Tilman Spengler. Lenins Hirn. Berlin Verlag, 2003. (350 Seiten)
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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4/7/2023 • 28 minutes, 16 seconds
Pauken und gamen: Tonio Schachinger kreuzt in «Echtzeitalter» Welten
Nach Fussball («Nicht wie ihr») nimmt sich der 31jährige österreichische Autor Tonio Schachinger nun ein Elitegymnasium in Wien vor. Für «Zwei mit Buch»-Host Franziska Hirsbrunner kommt dieses Gymnasium wie ein Wimmelbild daher. Es ist ein Mikrokosmos, in dem sich der Makrokosmos spiegelt.
Das Marianum ist eine traditionsreiche Schule für den Nachwuchs von Reichen und Einflussreichen. Und die Kinder wissen schon mit zehn, was sie einmal studieren wollen (oder sollen): «Jura, Wirtschaft oder Medizin». Es sind Kinder, findet Nicola Steiner, die weich landen werden, was immer sie tun.
Till fällt da etwas aus dem Rahmen. Seine Eltern sind nicht so reich wie andere. Und er selbst gehört, von seinem Umfeld unbemerkt, zu den zehn besten Spielern weltweit des 1997 lancierten Echtzeitstrategiespiels «Age of Empires 2». Das Gamen ist eine Möglichkeit, den Terror des Klassenlehrers zu puffern und wird mit der Zeit auch ein Mittel zur Emanzipation.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Tonio Schachinger. Echtzeitalter. 364 Seiten. Rowohlt Verlag
Im Podcast zu hören sind:
* Tonio Schachinger, Schriftsteller
* Jürgen Oelkers, Erziehungswissenschaftler
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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3/24/2023 • 28 minutes, 26 seconds
Ein Querdenker zwischen den Weltkriegen - Clemens Setz’ neuer Roman
«Monde vor der Landung» erzählt von einem realen deutschen Fliegerleutnant. Er vertrat die Hohlwelttheorie, nach der wir nicht auf der Erdkugel, sondern in einer Kugelschale leben. Für Simon Leuthold offenbart dieser Blick in die Zwischenkriegszeit Parallelen zu heutigen Querdenker-Bewegungen.
Ein Pilot beobachtet im ersten Weltkrieg als einer der Ersten überhaupt die Erdkrümmung – und ist trotzdem überzeugt, dass die Welt eine andere Form hat: Wie passt das zusammen? Clemens Setz neuer Roman zeichnet nach, wie Peter Bender immer tiefer in seine Theorien versinkt, während der aufkeimende Nationalsozialismus eine zunehmende Gefahr für ihn und seine Familie darstellt. Was bedeutet dem Autor die historische Figur, warum ist Bender kein «moderner» Querdenker, und wie schreibt man über so eine Figur? Dem gehen Simon Leuthold und Felix Münger in dieser Episode nach.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Clemens Setz. Monde vor der Landung. 528 Seiten. Suhrkamp Verlag, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Clemens Setz, Buchautor
* Carolin Amlinger, Soziologin
* Oliver Nachtwey, Soziologe
Weitere erwähnte Bücher:
* Peter Bender. Karl Tormann. Ein rheinischer Mensch unserer Zeit. Worms Verlag, Neuauflage 2021 (1927).
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3/10/2023 • 28 minutes, 59 seconds
Care-Arbeit, und kein Ende: «Wovon wir leben» von Birgit Birnbacher
Birgit Birnbachers Roman «Wovon wir leben» zeigt die Tristesse der Arbeits- und Sozialwelten in einem Dorf, das immer noch von patriarchalen Strukturen geprägt ist.
Die österreichische Schriftstellerin gibt Auskunft, inwiefern Frauen heute immer noch unter anderen gesellschaftlichen und sozialen Zwängen stehen als Männer, warum das Thema Arbeitswelt sie nicht loslässt und was Arbeit für uns bedeutet. Ein Thema mit vielen Facetten – und einer Fülle von Gesprächsstoff für Nicola Steiner und Franziska Hirsbrunner.
Die Krankenschwester Julia geht nach ihrer Kündigung zurück in ihr Heimatdorf, um wieder neu Kraft zu schöpfen. Doch das Dorf scheint wie ein Kadaver zu verwesen: die Fabrik, in der fast alle Bewohner des Dorfes tätig waren, hat geschlossen. Jetzt sitzen die Männer in der Kneipe herum, spielen Karten und trinken. Eines Tages kommt ein «Städter» ins Dorf, der ein Jahr lang eine Art Grundeinkommen «gewonnen» hat, und bringt neue Lebenskonzepte und Ideen ins Dorf und in Julias Leben.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Birgit Birnbacher. Wovon wir leben. 192 Seiten. Zsolnay, 2023.
Im Podcast zu hören sind:
* Birgit Birnbacher, Schriftstellerin
* Stephan Sigrist, Zukunftsforscher
Weiter erwähnte Bücher:
* Marie Jahoda, Paul F. Lazarsfeld, Hans Zeisel. Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit. edition suhrkamp.
* Birgit Birnbacher. Ich an meiner Seite. Zsolnay.
* Juli Zeh. Unterleuten. Luchterhand.
* Mela Hartwig. Bin ich ein überflüssiger Mensch? Droschl.
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2/24/2023 • 28 minutes, 45 seconds
Der Erfolgsautor als Lumpensammler: «Das glückliche Geheimnis» von Arno Geiger
Am Abend ein Gala-Diner mit dem Staatspräsidenten, am Tag darauf in den Strassen Wiens Müllcontainer durchwühlen: Arno Geiger bekennt in seinem neuen Buch, dass er über Jahrzehnte ein Doppelleben geführt hat. Felix Münger ist beeindruckt von der Offenheit des Autors, die ihn auch verwundbar macht.
Arno Geiger war bei seinen geheimen Müll-Touren insbesondere auf der Suche nach weggeworfenen persönlichen Briefen. Sie inspirierten ihn für seine Literatur. Ermöglichte ihm erst das Doppelleben, zum Erfolgsautor zu werden? Und wie kommt es, dass die geheime Identität Arno Geigers grosse Liebe befeuerte? Felix Münger erkundet zusammen mit Co-Host Simon Leuthold dieses packende Buch über ein vielschichtiges Autorenleben.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Arno Geiger: Das glückliche Geheimnis, Hanser 2023. (Hörbuch bei «Hörbuch Hamburg», gelesen von Matthias Brandt.)
Im Podcast zu hören ist:
* Arno Geiger, Schriftsteller
* Catherine Newmark, Philosophin und Publizistin
Weiter erwähnte Bücher:
* Umberto Eco. Der Friedhof in Prag. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. Hanser, 2011.
* Arno Geiger. Es geht uns gut. Hanser, 2005.
* Arno Geiger. Selbstporträt mit Flusspferd. Hanser, 2015.
* Thomas Mann. Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. 54. Auflage. Fischer, 1989.
* Stefan Zweig. Angst. 19. Auflage. Fischer, 1991.
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2/10/2023 • 27 minutes, 32 seconds
Essen als Ideologie und Lebenssinn: «Gesund genug» von Ursula Fricker
Ein Gesundheitsfanatiker stirbt an Darmkrebs. Am Krankenbett denkt die Tochter über den (Essens-)Terror nach, den der Vater verbreitete.
Er zählt jeden Morgen 30 Kürbiskerne, 45 Sonnenblumenkerne und 251 Roggenkörner für sein Frühstück ab und verbietet seinen Kindern das Schulschwimmen wegen des Chlors im Wasser. «Was treibt diesen Mann?», fragt Nicola Steiner. Und Franziska Hirsbrunner kommt die Familie in «Gesund genug» wie eine Vierpersonensekte vor.
Sie findet aber auch, dass Ursula Frickers neuer Roman weit mehr als das Porträt eines Spinners ist, der ums gesunde Leben tanzt wie ums goldene Kalb. Denn es geht um eine Selbstoptimierung, die krankhafte Züge annimmt, um den Versuch, sich eine Bedeutung zu geben, der aus dem Ruder läuft.
Das Thema Essen ist nicht nur auf der persönlichen Ebene gerade wieder sehr aktuell. Neben Essen als Ersatzreligion, Lebenssinn, Leitschnur und Weltveränderungsmission stellen sich auch ökonomische, ökologische, politische und gesellschaftliche Fragen. «Gesund genug» nimmt diese Fragen wie nebenbei auf und verleiht ihnen eine berührende Dringlichkeit.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Ursula Fricker. Gesund genug. 234 Seiten. Atlantis Verlag, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Ursula Fricker, Schriftstellerin.
* Christine Brombach, Ernährungssoziologin
Weitere im Podcast genannte Bücher:
* Emma Cline. The Girls. Aus dem amerikanischen Englisch von Nikolaus Stingl. 352 Seiten. Hanser Verlag, 2016.
* Daniela Dröscher. Lügen über meine Mutter. 448 Seiten. Kiepenheuer & Witsch, 2022.
* Slata Roschai. 153 Formen des Nichtseins. 176 Seiten. Homunculus Verlag, 2022.
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1/27/2023 • 28 minutes, 47 seconds
Lebendige Frauenbilder: «Vor aller Augen» von Martina Clavadetscher
Das neue Buch der Schweizer Autorin Martina Clavadetscher erzählt in 19 Geschichten die Leben von Frauenfiguren auf berühmten Gemälden. Für Simon Leuthold ein spannendes Projekt zwischen Recherche und Fiktion. Er ist fasziniert von der stilistischen Vielseitigkeit, die die Autorin an den Tag legt.
Da Vincis «Dame mit Hermelin» lässt uns über unsere Gewohnheiten beim Betrachten von Gemälden nachdenken, oder eine Zirkusartistin auf einem Bild von E.L. Kirchner berichtet über das Bombardement Dresdens im 2. Weltkrieg: 500 Jahre (Kunst-)Geschichte auf 240 Seiten. Wie kam Martina Clavadetscher zu diesem feministischen Erzählprojekt? Und was haben die Frauen aus 5 Jahrhunderten gemeinsam? Darüber gibt die Preisträgerin des Schweizer Buchpreises Martina Clavadetscher Auskunft im Podcast mit Simon Leuthold und Felix Münger.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Martina Clavadetscher: Vor aller Augen. 240 Seiten. Unionsverlag, 2022.
Im Podcast zu hören ist:
* Martina Clavadetscher, Buchautorin
Weiter erwähnte Bücher:
* Martina Clavadetscher: Die Erfindung des Ungehorsams. 288 Seiten. Unionsverlag, 2021.
* Charles Lewinsky: Sein Sohn. 368 Seiten. Diogenes Verlag, 2022.
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1/13/2023 • 28 minutes, 52 seconds
Eine Ikone zwischen Zwang und Freiheit: «Sisi» von Karen Duve
Karen Duves neues Buch «Sisi» zeigt ein modernes und überraschendes Bild der österreichischen Kaiserin, die ein Leben zwischen höfischen Zwängen und einem unbändigen Freiheitsdrang führte. Nicola Steiner und Franziska Hirsbrunner sprechen über die Faszination an der Figur Sisi und über Duves Roman.
In ihrem Roman «Sisi» erzählt die deutsche Schriftstellerin Karen Duve zwei Jahre aus den reiferen Jahren der legendären österreichischen Kaiserin. Es ist ein akribisch recherchiertes Buch über eine Ikone, die die Welt bis heute beschäftigt. Mit ihrem Schönheitswahn, ihrer Disziplin und ihrem Charisma ist Sisi für viele auch heute noch eine ideale Projektionsfläche. Sisi galt nicht nur als schönste Frau ihrer Zeit, sondern soll auch eine begnadete Reiterin gewesen sein. Dieser Phase ihres Lebens geht Duve nun detailliert nach und nimmt uns mit auf Sisis wilde, oft lebensgefährliche Reit-Jagden in England und Ungarn. Dabei entsteht das Bild einer schillernden Persönlichkeit, die den Konventionen und Erwartungen des Hofes zu entkommen suchte und weit vielschichtiger war als uns das Romy Schneider-Bild aus den Sisi-Filmen der 1950er Jahre glauben machen will.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Karen Duve. Sisi. 416 Seiten. Kiepenheuer & Witsch, 2022.
Im Podcast zu hören ist:
* Karen Duve, Schriftstellerin
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12/30/2022 • 28 minutes, 40 seconds
Zerstörte Unschuld: «Wer hat Bambi getötet?» von Monika Fagerholm
Eine Gruppenvergewaltigung unter Jugendlichen aus gutem Haus ist Ausgangspunkt für ein berührendes Gesellschaftsporträt.
«Ein Roman über eine Vergewaltigung – will man das lesen?» fragt «Zwei mit Buch»-Co-Host Nicola Steiner. «Unbedingt», findet Franziska Hirsbrunner, der selten ein so reiches und faszinierend erzähltes Buch untergekommen ist. Es kreiert aus ambivalent schillernden Plot-Partikeln eine Welt, in der grosse gesellschaftliche und menschliche Fragen sich fast unmerklich, aber umso eindringlicher stellen.
Es geht um Gewalt gegen Frauen in der patriarchal geprägten Gesellschaft reicher Leute, um die Macht des Geldes und Verkauf und Verrat als Lebensprinzip. Es geht um den Verlust der Unschuld und versehrte Kindheitserinnerungen. Es geht um eine Schweigekultur, die auch die Täter irreparabel beschädigt. Wie mit dem Weberschiffchen umflicht Monika Fagerholm diese Themen mit Jugendslang, Musik, Film, Literatur, Social Media usw. – psychologische Marker, die mehr über die Figuren erzählen, als Worte es könnten.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Monika Fagerholm. Wer hat Bambi getötet? Aus dem Schwedischen übersetzt von Antje Rávik Strubel. 256 Seiten. Residenz-Verlag, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Monika Fagerholm, Schriftstellerin
* Antje Rávik Strubel, Schriftstellerin und Übersetzerin
The Sex Pistols: Song/Video stiftete den Titel zu Monika Fagerholms Roman, der auch ein ausgearbeitetes Filmdrehbuch ist. Einer der Jugendlichen im Buch, selber nicht an der Vergewaltigung beteiligt, beschloss Jahre später, einen Film über das Geschehen zu drehen und ihm als Titel den rüden Song der Sex Pistols zu geben. Man brachte ihn mit Geld dazu, das Filmprojekt abzubrechen.
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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12/2/2022 • 29 minutes, 45 seconds
Wurzeln schlagen in der Fremde: Der neue Roman von Usama Al Shahmani
Ein Geflüchteter findet im Exil einen Weg aus Isolation und Verlorenheit – dank dem Wandern, der Zwiesprache mit Bäumen und der Literatur. Für «Zwei mit Buch»-Host Felix Münger ist Usama Al Shahmanis Roman «Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt» ein Buch zur Stunde.
Millionen von Menschen sind derzeit auf der Flucht. Stellvertretend für sie steht die Romanfigur Dafer. Er ist aus dem Irak in die Schweiz geflüchtet, aber hat dort keine Freunde. Dann entdeckt er das Wandern: Auf langen Streifzügen durch die Wälder spürt Dafer eine tiefe Verbundenheit mit den stummen Bäumen. Als Dafer die deutsche Sprache lernt und sich der Literatur zuwendet, erlebt er das Glück, in der Fremde anzukommen.
Auf einer Herbstwanderung erzählt der Irak-Schweizer Usama Al Shahmani, wie sehr er im Roman auf eigene Erfahrungen zurückgreift. Bäume und ihre Wurzelmetaphorik sind ein verbreiteter Topos in der Exilliteratur. Dies erklärt im Podcast die Hamburger Germanistin Jasmin Centner.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Usama Al Shahmani. Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt. Limmat Verlag, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Usama Al Shahmani, Buchautor
* Jasmin Centner, Germanistin
Weitere erwähnte Bücher:
* Marcel Proust. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. 3. Auflage. Suhrkamp, 2021.
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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11/18/2022 • 28 minutes, 37 seconds
Sehnsuchtsort Insel: «Zur See» von Dörte Hansen
Dörte Hansens neues Buch «Zur See» ist zugleich Familienroman und ein Buch über Einsamkeit. Die deutsche Bestsellerautorin erzählt in ihrem dritten Roman vom Leben auf einer Nordseeinsel.
Es geht um einsame Menschen, die hin- und hergerissen sind zwischen Heimweh und Fluchtimpuls, zwischen Sehnsüchten und Angst und Kälte.«Zwei mit Buch»-Host Nicola Steiner ist fasziniert von diesem Buch über den gesellschaftlichen Wandel auf der Insel. Und vom Ton, den Dörte Hansen findet, um uns die Menschen und das Leben an der See näherzubringen. Hört Franziska Hirsbrunner Dörte Hansen von der zugleich gefährlichen und transformativen Kraft des Meers erzählen, denkt sie an das berühmte Lied vom «sea change» in Shakespeares Stück «Der Sturm».
Wie hat Dörte Hansen diesen Sound gefunden? Und warum sind die Themen Schweigen und Einsamkeit in ihren Büchern immer so präsent? Nicola Steiner hat die Autorin auf der Buchmesse in Frankfurt zum Gespräch getroffen.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Dörte Hansen. Zur See. 256 Seiten. Penguin, 2022.
Das Hörbuch ist erschienen bei Random House Audio, eingelesen von Nina Hoss.
Im Podcast zu hören ist:
Dörte Hansen, Schriftstellerin
Weitere erwähnte Bücher und Autoren:
* William Shakespeare. Der Sturm
* Theodor Storm. Der Schimmelreiter
* Hermann Melville. Moby Dick
* Dylan Thomas. Unter dem Milchwald
* Jon Fosse
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11/4/2022 • 28 minutes, 12 seconds
Ein Pilz als Weltherrschaft? Benjamin von Wyls Roman «In einer einzigen Welt»
«In einer einzigen Welt» erzählt von einem grössenwahnsinnigen Pilz, der mit seinem Netzwerk die ganze Welt umspannen will. Dazu befällt er unter anderem die Hirne der Romanfiguren. Eine spannende Versuchsanordnung, die über die unschönen Seiten unserer Individualgesellschaft nachdenken lässt.
Wäre eine Welt, in der es keine Individuen gibt, sondern alle eins und miteinander vernetzt sind, wirklich eine bessere Welt? Das Pilzgewebe im Zentrum dieses Romans ist davon fest überzeugt. Was nach einer klassischen Internet-Dystopie klingt, entpuppt sich als dichtes Hyphengeflecht aus gesellschaftlichen Fragen, Sprachspiel und philosophischem Diskurs. «Zwei mit Buch»-Host Simon Leuthold hat sich mit Freude ins Dickicht dieses Romans gestürzt.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Benjamin von Wyl. In einer einzigen Welt. 240 Seiten. Lectorbooks, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Benjamin von Wyl, Buchautor
* Beatrice Senn-Irlet, Mykologin
Weitere erwähnte Bücher:
* Jevgenij Samjatin. Wir. Ganymed Edition 2020. (Original erschienen 1920)
* Dave Eggers. Der Circle. Kiepenheuer & Witsch 2015.
* Julia von Lucadou. Tick Tack. Hanser Berlin 2022.
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10/21/2022 • 28 minutes, 19 seconds
Wenn Rassismus ein Leben zerstört: «Geschichte eines Kindes» von Anna Kim
Ein Baby 1953 im Mittleren Westen der USA. Die Mutter gibt es sofort nach der Geburt zur Adoption frei. Aber bald wird seine Haut dunkler. Weil die junge Frau jegliche Auskunft zum Vater verweigert, untersucht man ihr Kind nach den Regeln einer Anthropologie, die noch aus der Nazizeit stammt.
Anna Kims Roman basiert auf einer wahren Geschichte und den vielen Seiten Akten, die über das Baby angelegt wurden. Darin stehen Sätze, die «Zwei mit Buch»-Host Franziska Hirsbrunner nicht mehr aus dem Kopf gingen, zum Beispiel: «Die Merkmale des Wirtsvolks sind in seinem Fall stark ausgeprägt, das Negride schimmert aber durch.»
Was es mit einem Menschen macht, so angeschaut zu werden, diskutiert sie mit Nicola Steiner, die findet, Anna Kims Roman möge zwar teils in der Vergangenheit spielen, erzähle aber viel über die Gegenwart.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Anna Kim. Geschichte eines Kindes. 221 Seiten. Suhrkamp, 2022.
Im Podcast zu hören ist:
* Anna Kim, Schriftstellerin
Weitere erwähnte Bücher:
* Szilárd Borbély. Die Mittellosen. Ist der Messias schon weg? Aus dem Ungarischen von Heike Flemming und Lacy Kornitzer. 349 Seiten. Suhrkamp, 2013.
* Evelyna Kottmann. Kreuz Teufels Luder. 379 Seiten. Limmat, 2015.
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
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Links:
Zeitschrift TANGRAM der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR
TANGRAM 44. Pascal Wagner-Egger. Kategorisierung, Stereotype und Vorurteile in der Sozialpsychologie
Universität Harvard. Impliziter Assoziationstest
10/7/2022 • 28 minutes, 30 seconds
Das verheimlichte Kind des Königs: «Sein Sohn» von Charles Lewinsky
Die Hauptfigur Louis Chabos lebt um 1800. Er kennt seine Eltern nicht - bis er die Suche aufnimmt und fündig wird: Sein Vater ist der französische König! «Zwei mit Buch»-Host Felix Münger überzeugt Charles Lewinskys neuer Roman «Sein Sohn» – sprachlich, psychologisch und historisch.
Charles Lewinsky erzählt von seiner Faszination für diesen vergessenen Königssohn. Und vom Reiz, ihm eine fiktive Geschichte zu geben. In ihr schlägt sich vieles vom Unbill der damaligen Zeit nieder. Und sie macht die universelle Frage nach der Identität zum Thema.
Im Podcast besuchen wir auch das Bündner Schloss Reichenau: Dort zeugte 1794 der spätere französische König Louis-Philippe, bekannt als «Bürgerkönig», mit einer Köchin ein Kind, das alsbald in einem Waisenhaus abgegeben wurde.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Charles Lewinsky: Sein Sohn. 368 Seiten. Diogenes 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Charles Lewinsky, Schriftsteller
* Gian-Battista von Tscharner, Schloss Reichenau
Weitere erwähnte Bücher:
* Michael van Orsouw. Blaues Blut. Royale Geschichten aus der Schweiz. HIER UND JETZT Verlag, 2019.
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9/23/2022 • 28 minutes, 46 seconds
Eine Jugend im Kloster-Internat: Thomas Hürlimanns neuer Roman
In «Der Rote Diamant» blickt der Schweizer Schriftsteller Thomas Hürlimann auf seine Jugendjahre im Kloster Einsiedeln zurück und macht daraus grosse Literatur. «Zwei mit Buch»-Host Nicola Steiner ist fasziniert von diesem Internatsroman, der zugleich sehr viel mehr ist.
Nämlich Coming-of-Age-Geschichte, Abenteuerroman, Historienkrimi um einen verschollenen Diamanten aus dem Kronschatz der Habsburger und eine philosophische Auseinandersetzung mit den Themen Zeit und Ewigkeit. Dabei ist der harte Alltag im Klosterinternat so eindringlich geschildert, dass sich Franziska Hirsbrunner fragt, warum Eltern ihrem Kind sowas antun.
Wie erinnert sich Thomas Hürlimann an seine eigene Zeit im Kloster-Internat zurück? Und warum hat er sich dafür entschieden, so leicht, ironisch, komisch und abenteuerlustig über die Zeit in der engen und streng reglementierten Klosterwelt zu schreiben? Der begnadete Geschichten-Erzähler gibt einen Einblick in seine Gedankenwelt hinter dem Buch.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Thomas Hürlimann: Der Rote Diamant. 320 Seiten. S. Fischer Verlag, 2022.
Im Podcast zu hören ist:
* Thomas Hürlimann, Schriftsteller
Weitere erwähnte Bücher:
* Robert Musil. Die Verwirrungen des Zöglings Törless.
* Hermann Hesse. Unterm Rad.
* Hermann Hesse. Narziss und Goldmund.
* Benedict Wells. Vom Ende der Einsamkeit. Diogenes Verlag.
* Serhij Zhadan. Internat. Suhrkamp Verlag.
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9/9/2022 • 28 minutes, 45 seconds
Eine Stimme für die Ungehörten: Simoné Goldschmidt-Lechners Roman über Südafrika
«Messer, Zungen» erzählt eine Geschichte der südafrikanischen «Cape Coloured»-Community, von der Apartheid in Südafrika bis ins Deutschland der Gegenwart. «Zwei mit Buch»-Host Simon Leuthold ist fasziniert von diesem Roman, der Teile der südafrikanischen Geschichtsschreibung in Frage stellt.
Anhand zahlloser Erfahrungen und Geschichten von einzelnen Personen setzt sich nach und nach ein Bild der «Cape Coloured»-Community zusammen: Gewalt, rassistische Ausgrenzung, ein Gefühl der Nicht-Zugehörigkeit – aber auch grosser Stolz und viel Durchhaltewillen gehören dazu. Warum die bruchstückhafte Form dieses Debütromans für das Erzählen von dieser Community genau angemessen ist, und wie sich die Rolle von Überlieferungen und Erzählungen in der Geschichtsforschung verändert, dem gehen wir in dieser Episode zusammen mit der Autorin Simoné Goldschmidt-Lechner nach.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Simoné Goldschmidt-Lechner: Messer, Zungen. 190 Seiten. Matthes & Seitz Berlin, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Simoné Goldschmidt-Lechner, Buchautorin
* Ulrike Kistner, Professorin für Literatur und Philosophie in Südafrika
Weitere erwähnte Bücher:
* Kenneth Bonert: Der Löwensucher. 800 Seiten. Diogenes 2016.
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8/26/2022 • 28 minutes, 40 seconds
«Von einem Sohn dieses Landes» von James Baldwin
Wer hat in den USA einen Platz? Der afroamerikanische Schriftsteller und Bürgerrechtsaktivist James Baldwin stellte die Frage 1955 in einer bahnbrechenden Essaysammlung. Als er «Von einem Sohn dieses Landes» veröffentlichte, war er gerade mal 31, und das Buch ist bis heute Kult.
Woran liegt es? An Baldwins einzigartiger Mischung aus Klugheit und Wärme, meint Franziska Hirsbrunner. An seinem Mut, Klischees anzugehen, findet Nicola Steiner. An seiner gnadenlosen Ehrlichkeit, auch mit sich selbst, schreibt die Autorin und Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal in ihrem berührenden Vorwort zur Neuübersetzung von «Notes of a Native Son».
Was Baldwins Analysen von Rassismus und Identitätsfragen so besonders macht und warum man ihn nicht lesen kann, ohne zu weinen – darüber sprechen wir in diesem Podcast.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* James Baldwin. Von einem Sohn dieses Landes. Deutsch von Miriam Mandelkow. Mit einem Vorwort von Mithu Sanyal. 240 Seiten. dtv, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Mithu Sanyal, Autorin und Kulturwissenschaftlerin
* James Baldwin, Schriftsteller, in zwei kurzen Ausschnitten aus der Debatte mit dem damals führenden US-Konservativen William Buckley 1965 in Cambridge zum Thema «The American Dream: Is it at the expense of the American Negro?». Für Baldwin hatten die USA massiv von der Sklaverei profitiert. Legendär seine Aussage: «I picked the cotton, and I carried it to market, and I built the railroad under someone else's whip for nothing.»
Ausschnitt auf Youtube
Weitere erwähnte Bücher:
* Yaa Gyasi. Heimkehren. Deutsch von Annette Grube. 416 Seiten. Dumont, 2017.
* Achille Mbembe. Kritik der schwarzen Vernunft. Deutsch von Michael Bischoff. 332 Seiten. Suhrkamp, 2013.
* Mithu Sanyal. Identitti. 432 Seiten. Hanser, 2021.
* Alice Walker. Die Farbe Lila. Deutsch von Cornelia Holfelder-von der Tann. 288 Seiten. Ecco, 2021 (Neuübersetzung).
* Colson Whitehead. Z. B. Underground Railroad. Deutsch von Nikolaus Stingl. 352 Seiten. Hanser, 2017.
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8/12/2022 • 28 minutes, 27 seconds
Der Nazi unter meinem Dach: «Der Aufgang» von Stefan Hertmans
Als der flämische Autor Stefan Hertmans erfährt, dass in seinem Haus ein SS-Mann lebte, beginnt er, zutiefst erschüttert, zu recherchieren. Und schreibt mit «Der Aufgang» einen Roman, der für «Zwei mit Buch»-Host Felix Münger einen packenden historischen Stoff gekonnt mit der Gegenwart verbindet.
Diese Podcast-Episode spürt der originellen Konstruktion des Romans nach. Sie erlaubt es, beim Lesen schwebend zwischen verschiedenen Erzählsträngen zu wechseln. Da ist zum einen die Geschichte des vormaligen Hausbesitzers mit Namen Willem Verhulst, der sich er während der deutschen Besatzung Belgiens im Zweiten Weltkrieg als skrupelloser Nazi-Kollaborateur erwies.
Und zum anderen begleiten wir Stefan Hertmans bei seiner Suche nach den Hintergründen dieser Geschichte - wie er alte Tagebücher, Fotografien und Gerichtsakten zu Verhulst studiert. Oder die Schauplätze von Verhulsts Leben aufsucht. Und je mehr sich das Bild zusammensetzt, desto deutlicher wird, wie sehr die Geschichte des längst verstorbenen SS-Mannes mit unserer Gegenwart heute zusammenhängt.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Stefan Hertmans. Der Aufgang. Aus dem Niederländischen von Ira Wilhelm. 472 Seiten. Diogenes, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Stefan Hertmans, Schriftsteller
* Charles Liebherr, SRF-Korrespondent in Brüssel
Weitere erwähnte Bücher:
* Sacha Batthyany. Und was hat das mit mir zu tun? Ein Verbrechen im März 1945. Die Geschichte meiner Familie, Kiepenheuer und Witsch, 2016.
* Stefan Hertmans. Der Himmel meines Grossvaters. Aus dem Niederländischen von Ira Wilhelm. Hanser Berlin, 2014. (als Taschenbuch: Krieg und Terpentin. Diogenes 2018.)
* Stefan Hertmans. Die Fremde. Aus dem Niederländischen von Ira Wilhelm. Hanser Berlin, 2017.
* W.G. Sebald. Austerlitz. Fischer Taschenbuch, 2003.
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7/29/2022 • 28 minutes, 46 seconds
«Kummer aller Art» – neue Geschichten von Mariana Leky
Um Liebeskummer, Konfliktängste, Abschiedsschmerz und peinliche Erlebnisse in der Kindheit geht es in den Geschichten von Mariana Leky. Für «Zwei mit Buch»-Host Nicola Steiner ist klar: Das Buch voller Kummer ist gleichzeitig sehr tröstlich. Weil es eine Form findet für den Kummer.
Schon Mariana Lekys Bestseller «Was man von hier aus sehen kann» hat Nicola Steiner vor einigen Jahren hellauf begeistert. Nun sind ihre Kolumnen aus der Zeitschrift «Psychologie heute» in überarbeiteter Form als Buch erschienen: Es geht um «Kummer aller Art». Für Nicola Steiner zeigt sich Leky hier wieder auf der Höhe ihrer Kunst: Die Geschichten sprühen nur so von augenzwinkerndem Humor, auch wenn die Ich-Erzählerin die Sorgen und Ängste der Figuren immer ernst nimmt. Wie findet die Autorin diesen typischen «Leky-Sound»? Und warum ist das Buch, das voll von Kummer ist, dennoch tröstlich?
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Mariana Leky. Kummer aller Art. 176 Seiten. DuMont, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Mariana Leky, Schriftstellerin
* Frederik Schröer, Historiker am Fachbereich für die Geschichte der Gefühle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin
Weitere erwähnte Bücher:
* William Maxwell. Also dann bis morgen. Zsolnay Verlag.
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7/15/2022 • 26 minutes, 58 seconds
Exit to Biedermeier: «Spitzweg» von Eckhart Nickel
Drei Jugendliche entfliehen der Realität in eine Parallelwelt der Kunst aus der Romantik. Darin finden sie neuen Zugang zum eigenen Leben und einen Weg, sich an einer Lehrerin zu rächen. Für «Zwei mit Buch»-Host Simon Leuthold eine schlaue Ode an die Kunst, die mehr sein kann als ästhetischer Reiz.
Kirsten, Carl und der namenlose Erzähler dieses Romans sprechen lieber seitenlang gestelzt über Carl Spitzweg, Chopin und die Ästhetik einer Zigarettenpackung, als mit ihren Klassenkamerad:innen abzuhängen. Was taugt das 19. Jahrhundert als Sehnsuchtsort für Eskapisten? Wozu benutzen wir Kunst? Woher kommt unsere Sehnsucht nach Retro-Ästhetik? Solche Fragen wirft dieser Roman auf, der sich als Geschichte eines simplen Jugendstreichs tarnt. Simon Leuthold ist begeistert vom Humor und der Sprache in «Spitzweg», und Felix Münger findet, dass er einiges mit dem Autor Eckhart Nickel gemeinsam hat.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Eckhart Nickel. Spitzweg. 265 Seiten. Piper, 2022.
Im Podcast zu hören ist:
* Eckhart Nickel, Buchautor
Weitere erwähnte Werke:
* Hansjörg Schertenleib. Die grüne Fee. 128 Seiten. Kampa, 2022.
* Peter Weir (Regie). Der Club der toten Dichter (Dead Poets Society). 123 Minuten. Film, 1989.
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7/1/2022 • 28 minutes, 45 seconds
Das Band zwischen Mutter und Tochter: «Wovon wir träumen» von Lin Hierse
Jede Tochter hat eine Mutter, jede Mutter ist auch Tochter. In ihrem schmalen Debüt macht die deutsche Autorin Lin Hierse diese Binsenweisheit leicht und leise zum Raum für die grossen Fragen: Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo gehöre ich hin? Und lebe ich wirklich meine eigenen Träume?
«Zwei mit Buch»-Host Franziska Hirsbrunner berührt dieses kunstvoll gebaute Mutter-Tochter-Buch, obwohl es (fast) ohne die grossen Kräche auskommt. Nicola Steiner fragt sich ob der klassischen Frage «Bin ich wie meine Mutter?», wie es um die Fussstapfen stand und steht, in die man sich als Tochter stellt. Und wir diskutieren, warum es so schwierig ist, über die eigene Mutter zu sprechen und warum man Mutter-Tochter-Romane nicht zu erfinden braucht.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Lin Hierse. Wovon wir träumen. 237 Seiten. Piper, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Lin Hierse, Schriftstellerin
* Claudia Haarmann, Psychologin und Buchautorin
Weitere erwähnte Bücher:
* Hila Bloom. Wie man seine Tochter liebt. Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama. 314 Seiten. Piper, 2022.
* Melitta Breznik. Mutter. 160 Seiten. Luchterhand, 2020.
* Julia Franck. Welten auseinander. 368 Seiten. S. Fischer, 2021.
* Claudia Haarmann. Mütter sind eben Mütter. 317 Seiten. Kösel, 2019.
* Helga M. Novak. Die Eisheiligen. Erhältlich in: Die Eisheiligen / Vogel federlos. 616 Seiten. Schöffling & Co, 1998.
* Helga Schubert. Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten. 224 Seiten. dtv, 2021.
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6/17/2022 • 28 minutes, 33 seconds
Generation Social Media: «Tick Tack» von Julia von Lucadou
Eine Schülerin avanciert zum «Tiktok»-Star. Während der Pandemie gerät sie auf dunkle Abwege. «Zwei mit Buch»-Host Felix Münger ist fasziniert vom Roman «Tick Tack», der sprachlich und formal originell Einblicke ins Denken und Fühlen der jungen Generation gewährt.
Die Teenagerin Mette, die Hauptfigur des Romans, ist eine leidenschaftliche Tiktokerin. In ihrem Empfinden sind die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt fliessend.
Zusammen mit dem Influencer Jo versteigt sich Mette zur wahnhaften Vorstellung, der «Mainstream» würde die Menschen um die Wahrheit betrügen. Mit der Corona-Pandemie wird die Lage ernst.
Diese an den Solothurner Literaturtagen aufgezeichnete «Zwei mit Buch»-Episode spürt der gesellschafskritischen Dringlichkeit des Romans nach.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Julia von Lucadou. Tick Tack. 255 Seiten. Hanser Berlin, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Julia von Lucadou, Schriftstellerin
* Stefan Caduff, Medienpsychologe
* Besucher der Solothurner Literaturtage
Weitere erwähnte Bücher:
* J.D. Salinger. Der Fänger im Roggen. 22. Aufl., Rowohlt, 2004.
* Wolfgang Herrndorf. Tschick. 40. Aufl., Rowohlt, 2012.
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6/3/2022 • 28 minutes, 1 second
Zwischen Göre und Prinzessin: «Mädchen» von Teresa Präauer
Was heisst es eigentlich, ein Mädchen zu sein? In ihrer Erzählung denkt die österreichische Schriftstellerin Teresa Präauer über ihr eigenes Mädchen-Sein nach und leuchtet zugleich den Begriff aus – in der Literatur, in der bildenden Kunst, im Film, in der Sprache.
«Zwei mit Buch»-Host Nicola Steiner ist fasziniert von diesem schillernden, bildhaft-verspielten literarischen Text. Franziska Hirsbrunner bringt Beispiele von Mädchenfiguren aus der Literatur mit und erklärt, warum ihr bei Pippi Langstrumpf immer der Glitzer gefehlt hat. Wir diskutieren über Geschlechterklischees und Rollenzuschreibungen und gehen der Frage nach, warum sich bis in unsere Gegenwart süsse, sanfte und zarte Frauenfiguren gehalten haben.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Teresa Präauer. Mädchen. 78 Seiten. Wallstein Verlag 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Teresa Präauer, Schriftstellerin
* Ann-Kristin Tlusty, Kulturwissenschaftlerin und Journalistin
Weitere erwähnte Bücher:
* Ann-Kristin Tlusty. Süss. Eine feministische Kritik.
* Emmy von Rhoden. Trotzkopf.
* Kurt Held. Die rote Zora und ihre Bande.
* Astrid Lindgren. Ronja Räubertochter.
* Angelika Klüssendorf. Das Mädchen.
* Sylvia Plath. Die Tagebücher.
* Irmgard Keun. Als ich Bazillenträger war.
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5/20/2022 • 28 minutes, 12 seconds
Schreiben, Schwangerschaft und Schwierigkeiten: «Die Vermengung» von Julia Weber
Dieser Roman mache ihm erfahrbar, wie eine Mutterschaft das Selbstverständnis einer Künstlerin aus dem Lot bringen kann, findet «Zwei mit Buch»-Host Simon Leuthold. Julia Weber erzählt, wie die Rollen einer Autorin durcheinandergeraten, die auch Mutter, Partnerin und Individuum sein will.
Die Schweizer Autorin wählt eine komplexe Anlage für ihren persönlichen Roman: Eine schwangere Autorin berichtet über ihr eigenes Erleben und schreibt gleichzeitig ein Buch, in dem Figuren Ähnliches erleben wie sie selbst in ihrer aktuellen Lebenssituation. Sie vermengt ihr eigenes Leben mit der Kunst, führt Dialoge mit ihren Figuren – und die verwirrende Situation, die daraus entsteht, lässt uns nachvollziehen, wie sie sich gerade fühlt.
Wir diskutieren darüber, warum es diese Komplexität braucht, was Schreiben nah an der eigenen Biografie bewirkt und über Autofiktion als Trend.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Julia Weber. Die Vermengung. 350 Seiten. Limmat Verlag, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Julia Weber, Buchautorin
* Christine Lötscher, Professorin für Populäre Kulturen
Weiter erwähnte Bücher:
* Rachel Cusk. A Lifes Work. 224 Seiten. Macmillan, 2003.
* Annie Ernaux. Die Scham. 110 Seiten. Suhrkamp, 2020.
* Édouard Louis. Das Ende von Eddy. 208 Seiten. S. Fischer, 2016.
* Karl Ove Kausgård. Sterben / Lieben / Spielen / Leben / Träumen / Kämpfen (6 Bände). Luchterhand, 2011-2015.
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5/6/2022 • 28 minutes, 44 seconds
Vom Krieg erzählen: «Neverend» von Aleš Šteger
Der neue Roman des bekanntesten slowenischen Autors seiner Generation hat «Zwei mit Buch»-Host Franziska Hirsbrunner beeindruckt durch seine Aktualität und fasziniert durch seine Art, hochpoetisch, analytisch und gesellschaftskritisch zu fragen, warum sich Krieg immer wieder wiederholt.
«Neverend» entführt in eine Dystopie, in der an den Rändern der EU seit Jahren ein Krieg tobt, die EU selbst sich in weltweiten Handelsstreitigkeiten ruiniert und Slowenien im Verlauf von Wahlen in einen Bürgerkrieg schlittert. Mittendrin eine junge slowenische Schriftstellerin, die in ihrem Tagebuch die Fragilität von Frieden und die Hilflosigkeit angesichts der Gewalt spiegelt.
Wir diskutieren, was diese nur leicht verschobene Realität uns eröffnet und warum es nicht nur im Zusammenhang mit Krieg wichtig ist, verschiedene Perspektiven zuzulassen.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
Aleš Šteger. Neverend. 462 Seiten. Aus dem Slowenischen von Matthias Göritz und Alexandra Natalie Zaleznik. Wallstein, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Aleš Šteger, Schriftsteller
* Thomas Elbert, emeritierter Professor für Klinische Psychologie und Klinische Neuropsychologie an der Universität Konstanz
Weitere erwähnte Bücher:
* Richard Flanegan. Der schmale Pfad durchs Hinterland. Deutsch von Eva Bonné. 448 Seiten. Piper, 2015.
* Andrej Gelassimow. Durst. Deutsch von Dorothea Trottenberg.100 Seiten. Suhrkamp, 2011.
* Michael Ondaatje. Der englische Patient. Deutsch von Adelheid Dormagen. 439 Seiten. Hanser, 1993.
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4/22/2022 • 28 minutes, 24 seconds
Wenn plötzlich eine Schwester ins Leben tritt: «Das Vorkommnis» von Julia Schoch
Eine Frau um die fünfzig wird von einer Unbekannten angesprochen, die sich als ihre bislang unbekannte Halb-Schwester zu erkennen gibt. Es ist der Beginn einer seelischen Höllenfahrt, der «Zwei mit Buch»-Host Felix Münger mit Ergriffenheit gefolgt ist.
Was geschieht mit uns, wenn sich elementare Gewissheiten plötzlich auflösen? «Die Wahrheit lässt alles andere schlagartig wie eine Lüge erscheinen», heisst es in diesem zum Teil autofiktionalen Roman der deutschen Autorin Julia Schoch. Sie erzählt von der tiefen Lebenskrise, in welche die Hauptfigur fällt, nachdem sie vom lange gehüteten Familiengeheimnis erfährt: Verlust der Lebensfreude, Selbstzweifel, Misstrauen allem und allen gegenüber.
Der Roman ist eine eindringliche psychologische Studie. Voll Melancholie und dennoch heiter. Denn die Literatur weist den Weg zurück ins Leben.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Julia Schoch: Das Vorkommnis. Biographie einer Frau. 191 Seiten. dtv, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Julia Schoch, Schriftstellerin
* Karin Meierhofer, Geschäftsleiterin Pflege- und Adoptivkinder Schweiz (PACH)
Weitere erwähnte Bücher:
* Ruth Schweikert. Wie wir älter werden. S. Fischer, 2015.
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4/8/2022 • 28 minutes, 46 seconds
Geschwister – eine Beziehung fürs Leben: Bettina Flitners Debüt-Roman
«Meine Schwester» erzählt von einer komplizierten Beziehung zwischen zwei sehr ungleichen Schwestern. Für «Zwei mit Buch»-Host Nicola Steiner ein bewegendes und zartes Buch über den Zauber und die Bürde von Geschwisterschaft.
Einige Jahre nach dem Suizid ihrer Schwester setzt sich die deutsche Fotografin Bettina Flitner an den Schreibtisch, um über ihre Kindheit und Jugend nachzudenken. Es ist eine Zeitreise und zugleich eine Liebeserklärung an die eigene Schwester. Das Buch regt Nicola Steiner an, über die Bedeutung von Geschwisterrollen nachzudenken. Franziska Hirsbrunner fragt sich, ob dieses Buch dasselbe innere Glühen hat wie Flitners Fotos.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Bettina Flitner. Meine Schwester. 313 Seiten. Kiepenheuer & Witsch, 2022.
Im Podcast sind zu hören:
* Bettina Flitner, Fotografin und Autorin
* Susann Sitzler, freie Journalistin und Autorin
Weiter erwähnte Bücher:
* Susann Sitzler. Geschwister. Klett-Cotta.
* Astrid Lindgren. Die Brüder Löwenherz. Oetinger.
* Benedict Wells. Vom Ende der Einsamkeit. Diogenes.
* Una Mannion. Licht zwischen den Bäumen. Steidl.
Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: [email protected]
3/25/2022 • 28 minutes, 46 seconds
Es brennt in der Stadt und in der Geschichte: «Der Feuerturm» von Catalin Dorian Florescu
Dieser Roman hat «Zwei mit Buch»-Host Simon Leuthold die Augen geöffnet für die Geschichte Rumäniens zwischen 1890 und 1989. Durch fünf Generationen hindurch erzählt Catalin Dorian Florescu von Katastrophen, Liebe, Verrat, Diktatur und Widerstandskraft – beeindruckend bildstark und verdichtet.
Ein grosser Roman über 100 Jahre Rumänische Geschichte – geprägt von Königsdiktaturen, Kriegen, Kommunismus. Eine Familie von Feuerwehrleuten durchlebt zahlreiche schlimme historische Kapitel. Und doch halten sie alle durch, sie überleben – wie auch ihre Stadt Bukarest, die mehreren Bränden und Zerstörungswellen trotzte.
Wir fragen, woraus Menschen in höchsten Nöten Widerstandskraft schöpfen, und wir sprechen über den Umgang mit Geschichte in diesem Roman, und über die Kraft des Erzählens.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Catalin Dorian Florescu. Der Feuerturm. 358 Seiten. C.H. Beck, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Catalin Dorian Florescu, Buchautor
* Olivia Spiridon, Literaturwissenschaftlerin
Weiter erwähnte Bücher:
* Herta Müller. Atemschaukel. 304 Seiten. Hanser, 2009.
* Natascha Wodin. Nastjas Tränen. 192 Seiten. Rowohlt, 2021.
* Isabel Allende. Das Geisterhaus. 501 Seiten. Suhrkamp 1989.
* Erich Maria Remarque. Im Westen nichts Neues. 336 Seiten. Kiepenheuer & Witsch 2014.
3/11/2022 • 28 minutes, 52 seconds
Trotz Trauma von Erinnerungen erzählen: Abbas Khiders neuer Roman
«Der Erinnerungsfälscher» erzählt von einem migrantischen Schriftsteller, der seine Erinnerungen erfindet, weil er sonst gar nicht schreiben könnte – zu quälend ist, was er erlebte und noch immer erlebt. Für «Zwei mit Buch»-Host Franziska Hirsbrunner etwas vom Besten zum Thema Flucht seit langem.
Kann man über Flucht und Trauma komisch schreiben? Man kann - und trotzdem zu Tränen rühren. Als Abbas Khider im Interview mit Franziska Hirsbrunner einen Lachanfall bekommt, meint Nicola Steiner: «Dieses Lachen ist einmalig! Wie seine Texte! So verbunden mit profunden Kenntnissen über die Menschen und die Menschlichkeit!»
Wir diskutieren darüber, was Trauma mit Erinnerung macht, warum uns die Geschichte von Abbas Khiders Alter Ego so nahegeht und wie Erinnerungen ganz allgemein funktionieren.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Abbas Khider. Der Erinnerungsfälscher. 126 Seiten. Hanser Verlag, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Abbas Khider, Schriftsteller
* Matthis Schick, ärztlicher Leiter des Ambulatoriums für Kriegs- und Folteropfer am Universitätsspital Zürich
* Andreas Maercker, Psychologie-Professor an der Universität Zürich mit Spezialgebiet Trauma und Traumafolgestörungen
Weitere erwähnte Bücher:
* Patrick Süskind. Die Taube. 112 Seiten. Diogenes Verlag, 1990.
* Julia Shaw. Das trügerische Gedächtnis. Wie unser Hirn Erinnerungen fälscht. 304 Seiten. Hanser Verlag, 2016 (eine Empfehlung von Abbas Khider).
* Julian Barnes. Vom Ende einer Geschichte. Übersetzt von Gertraude Krueger. 192 Seiten. Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2011 (ein Lieblingsbuch von Nicola Steiner zum Thema Erinnerung).
Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: [email protected]
Mehr Infos und mehr Literatur unter www.srf.ch/literatur
2/25/2022 • 28 minutes, 35 seconds
Glücklich dank Hirn-Operation: Yael Inokais neuer Roman
Mittels Hirnchirurgie psychisch auffällige Menschen korrigieren – davon erzählt die Schweizerin Yael Inokai im Roman «Ein simpler Eingriff». Er erinnert an ein düsteres Kapitel der Psychiatrie - und liest sich für «Zwei mit Buch»-Host Felix Münger auch als Kritik an der Leistungsgesellschaft heute.
Der Roman lässt verschiedene Deutungen zu. Felix Münger verhandelt sie im Podcast mit seinem Kollegen Simon Leuthold. Auch Yael Inokai kommt zu Wort: Operationen am Gehirn um Menschen «normal» zu machen, sagt sie, seien für sie auch ein literarisches Modell, um über unsere Gesellschaft heute nachzudenken. Wie sehr sind wir etwa versucht, grundsätzlichen gesellschaftlichen Problemen wie Working Poor oder Burnout mit einer «simplen» Pillenabgabe zu begegnen.
Dieses Buch steht im Zentrum der Folge:
* Yael Inokai. Ein simpler Eingriff. 189 Seiten. Hanser Berlin, 2022.
Im Podcast zu hören sind:
* Yael Inokai, Buchautorin
* Thomas Schläpfer, Psychiatrie-Professor
Weiter erwähnte Bücher:
* Ken Kesey. Einer flog über das Kuckucksnest. 352 Seiten. rororo, 1982.
* Marietta Meier. Spannungsherde. Psychochirurgie nach dem Zweiten Weltkrieg. 391 Seiten. Wallstein, 2015.
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2/25/2022 • 28 minutes, 10 seconds
Trailer «Literaturclub: Zwei mit Buch»
Ein Podcast über Bücher und die Welten, die sie uns eröffnen. Alle zwei Wochen tauchen wir im Duo in eine Neuerscheinung ein, spüren Themen, Figuren und Sprache nach und folgen den Gedanken, welche die Lektüre auslöst. Dazu sprechen wir mit der Autorin oder dem Autor und holen zusätzliche Stimmen zu den Fragen ein, die uns beim Lesen umgetrieben haben. Lesen heisst entdecken.
Mit den Hosts Nicola Steiner/Franziska Hirsbrunner und Felix Münger/Simon Leuthold.
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Kontakt: [email protected]